Zur Kritik des Schiller-Museums in Weimar (1990)
Von Olaf Weber
Das neu erbaute Schillermuseum in Weimar erhielt kürzlich (1989) den Architekturpreis der DDR. Der schon wieder verblichenen Würdigung soll nun die gebotene Kritik folgen.
Der Rang der Aufgabe lässt vor allem danach fragen, wie dieses Gebäude dem immer wieder erblassenden Image Weimars als Kulturstadt entspricht und wie es dem Schiller’schen Geiste, seiner Kunst des „mündigen Sicht-Behauptens“ genügen kann, wie es schließlich die humanistischen Vorstellungen der Klassiker von der langfristigen erzieherischen Wirkung der Kunst hin zu einem gesellschaftlichen Zustand der Harmonie und Freiheit in Architektur, also in architektonische Funktionen und baulichen Ausdruck transformieren könnte.
Damit ist freilich ein Anspruch an Baukultur formuliert, der überhaupt kaum erfüllbar ist, er musste auch die Autoren des Schillermuseums an ihre gesellschaftlich bedingten Grenzen führen. Er konnte nicht einmal vom Auftraggeber (den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar) als Handlungsimpuls an die Planer formuliert werden.
Trotzdem will ich den Bogen der Analyse über die üblichen Aspekte von Konstruktion, Funktion und städtebaulicher Einordnung hinaus bis in die geistigen Hintergründe des Entwurfes spannen, soweit mir das möglich ist. Die Grundlage für diesen Aufsatz habe ich schon 1982 nach dem Wettbewerb für das Schillermuseum gelegt, war dann im Auftrag der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar selbst in der Gruppe um Aschenbach/Beyer beratend tätig und habe das endliche Ergebnis als etwas begrüßt, dass zurecht einen Preis verdient hat. Im Herbst 1989 war dieser Artikel noch unfertig, ich wollte ihn aber im Vorgefühl großer gesellschaftlicher Veränderungen noch beenden. Der durch die Wende gerade gewonnene Abstand hebt die Kritik von den beteiligten Personen ab und vielleicht den Widerspruch hervor, der sich zwischen einer stark reglemierten Baupolitik und den Potenzen eines freien Geistes Schiller’scher Prägung auftut.