Archiv des Autors: Olaf Weber

„Holt Snowden nach Weimar!“ (Juli 2013)

„Holt Snowden nach Weimar!“
Sein Vorschlag, sagt Olaf Weber, sei leider absurd – inzwischen wird er von anderen aufgegriffen

Von Sabine Brandt
Weimar. „Holt Edward Snowden nach Weimar!“ Mit seinem Vorschlag hatte sich Professor Olaf Weber am Wochenende zunächst nur intern an die Mitglieder des Vereins „Weimar – Stadt der Zuflucht“ gewandt. Seine Idee, sagte er, sei leider absurd, aber Gedanken sind nun mal frei, und der Verein, der verfolgten Schriftstellern und Publizisten Asyl gewährt, schien ihm der rechte Ort – auch wenn sich Edward Snowden nur im weitesten Sinne als Publizist betrachten lässt.
Angela Egli vom Vorstand des Vereins begrüßte Webers Idee. Es dauerte aber nicht lange, und der Aufruf wurde auch außerhalb des Vereins debattiert. Stadtrat Rudolf Keßner (Bündnisgrüne) schlug gestern Snowden für den Weimarer Menschenrechtspreis vor. Jürgen Trittin hängte die Idee sogar an die ganz große Berliner Glocke. Olaf Weber war Inhaber eines Lehrstuhls für Ästhetik an der Bauhaus-Universität Weimar. Seit 2009 ist er im Ruhestand.

1. Sie finden, Weimar sollte Snowden Asyl gewähren. Warum?
Weil Weimar eine Stadt der Aufklärung war und vielleicht noch ist. Edward Snowden ist ein Aufklärer, er hat ein wenig Licht in das Dunkel der Geheimdienste gebracht. Er hat uneigennützig zu unser aller Nutzen gehandelt. Nun wird er von Geheimdiensten gejagt, weil er die unakzeptablen Methoden dieser Dienste entlarvt hat. Edward Snowden hat mit der Veröffentlichung von Praktiken amerikanischer und britischer Geheimdienste die Ideale der westlichen Wertegemeinschaft verteidigt, während diese Geheimdienste durch ihre Schnüffelei den freiheitlichen Werten des transatlantischen Bündnisses schaden. Es ist völlig unverständlich, dass Snowden in den USA selbst nicht die genügende Unterstützung für seine Aufklärungstätigkeit erhält. Er ist ein Held.

2. Wie groß war Ihre Überraschung über die Geheimnisse, die Snowden aufdeckte?
Sie waren vorhersehbar. Aber die Frechheit, mit der Leitungen angezapft wurden und die Maßlosigkeit der Sammelwut von Metadaten sind nun zu Tatsachen geworden. Es ist beschämend, dass gerade Agenten aus den USA und Großbritannien, also aus Ländern, die sich als Hort der Freiheit wähnen, solche Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Millionen Menschen unternehmen. Snowden hat auch enthüllt, dass die Cyberattacken nicht nur aus Fernost, sondern auch aus den transatlantischen Geheimdiensten kommen.

3. Keine Freiheit ohne Sicherheit, heißt es in den letzten Tagen immer. Haben Sie was gegen geheimdienstliche Arbeit?
Es gibt zu viele und allesamt zu düstere Geheimdienste. Ich hätte ja nichts dagegen, wenn Informationen darüber gesammelt würden, mit welchen Mitteln Konflikte friedlich gelöst werden könnten. Aber die Geheimdienste schüren diese Konflikte, statt sie zu mildern. Man denke nur an die Falschmeldungen, die das CIA im Vorfeld des Irak-Krieges gestreut hatte. Man kann Geheimdiensten nicht trauen.

4. Datenschutzverletzungen brachten die Leute vor 30 Jahren auf die Palme. Heute regt man sich nicht mal mehr über die Volkszählung auf. Ist das Thema vom Tisch?
Im Gegenteil, es wird immer aktueller. Durch die Enthüllungen von Edward Snowden ist deutlicher geworden, dass die Grenzen zwischen Staatsschnüffelei und den privatwirtschaftlichen Firmen wie Google und facebook sich weiter verwischen. Und viele weitere private Dienste handeln mit der Ware Information. Das ist das eigentliche Problem im Netz. Ich möchte meine Ideen auf meiner Homepage öffentlich machen, möchte aber nicht in meinen Freundschaften und Kaufgewohnheiten observiert werden. Das Netz muss transparent und demokratisiert werden. Hier tut die Bundesregierung viel zu wenig.

5. Hätte sich die Stasi aufs stille Datensammeln beschränkt und die SED auf ideologische Drangsalierung verzichtet: Was, glauben Sie, wäre nach 89 passiert?
Die Stasi hat zu 90 Prozent banale Metadaten gesammelt. Wer mit wem und wo verkehrt, damit er nach seinem Westbesuch auch wieder zurückkehrt. Der gläserne Mensch ist nur im Hygienemuseum Dresden zu akzeptieren.

6. Sie haben Ihren Vorschlag via Mailverteiler bekannt gemacht. Ihnen ist schon klar, dass die NSA davon längst Wind bekommen hat?
Ich habe das seltene Privileg, sehr unabhängig zu sein. Es gibt auf der Welt Hunderte von Geheimdiensten, da bleiben wir mal ganz ruhig. Aber Snowden muss geschützt werden. Für ihn ist kein Versteck sicher, außer einer großen globalen Bewegung die ihn durch ihre Solidarität unverwundbar macht. Das Angebot Weimars, ihm am Orte Schillers die Freiheit zu schenken, wäre eine wichtige symbolische Handlung. Leider ist es für dieses Jahr schon zu spät, im den Menschenrechtspreis der Stadt Weimar zu übergeben.

Thüringer Landeszeitung, 2.07.2013

Welt ohne Militär (2013)

Welt ohne Militär

Eine militärfreie, doch darum nicht konfliktlose Zivilgesellschaft, die sich durch ihre eigenen Instrumente schützt, ist ihr selbstverständlicher Zustand.

1. Militär und Menschenrechte sind unvereinbar

Die Würde des Menschen hängt an seinem Leben. Militär zerstört nicht versehentlich, sondern planmäßig den Anspruch auf Leben. Soldaten müssen „feindliche“ Soldaten töten, obwohl keinem der Kriegsbeteiligten eine individuelle Schuld nachgewiesen wird. Töten, vor allem Töten auf Verdacht, steht aber in einem eklatanten Widerspruch zu den individuellen Menschenrechten. Militär und Menschen­rechte befinden sich also nicht nur dann im Konflikt, wenn durch so genannte Kollateralschäden Zivilisten getötet oder verletzt werden, sie stehen überhaupt zueinander in einem unüberwindlichen, antagonistischen Widerspruch. Krieg ist autoritäres von Generälen und Bandenchefs verordnetes Morden. Militär ist ein ruhmloses Auslaufmodell. Weiterlesen

Der 42. Kongress 2009 – 2011 (2013)

Der 42. Kongress 2009 – 2011
Ein Podium des Absurden

Über dem „42. Kongress“ schwebt die verquerte Welt in ihrer Absurdität. Das Credo dieser Veranstaltung ist es, diesen menschgemachten Zustand zu vermessen und abzubilden, sie letztlich mit einem größeren und geistvolleren Absurden zu konfrontieren. Das ist ein vitales Fest, es will ein Podium und offener Raum für unkonventionelles, alogisches, also vielleicht richtiges und hintersinniges Denken und Handeln sein. Es kann zu allem werden – zum spontanen Gag oder zur durchformulierten künstlerischen Aktion. Weiterlesen

Funktionalismus als DDR und Utopie (2012)

Olaf Weber
Funktionalismus als DDR und Utopie

Der „Funktionalismus“ wurde in den 1960er Jahren in den Architekturdebatten des Westens begraben, doch entwickelte er sich gerade in den 70er und 80er Jahren in der DDR zu einem zentralen Begriff der architektur- und designtheoretischen Diskussion. Er hatte ein philosophisches Gesicht – und die technologische Rückseite des Plattenbaues. Er wurde von maßgeblichen Philosophen, Architekten und Designern zum Gestaltungsprinzip des Sozialismus hoch stilisiert und damit höchst problematisiert. Der Verfasser dieses Artikels hat in dieser Zeit die Diskussion um den Funktionsbegriff verfolgt und in vielen Publikationen zur Architektur- und Designtheorie in der DDR mitbestimmt. Die folgenden Gedanken beziehen sich in einer Rückschau auf diese teils heftig geführte Diskussion. Weiterlesen

Global Zero Sofortiger und anhaltender militärischer Rückbau (2012)

Global Zero: Sofortiger und anhaltender militärischer Rückbau

Einige Argumente gegen das Militär

In Dokumenten zur internationalen Politik wird dem Militär immer noch eine friedensstiftende Rolle eingestanden, wie etwa in entsprechenden Formulierungen zur sogenannten „Schutzverantwortung“ (Responsibility to Protect). Auch im Antrag für die Bundesversammlung der Grünen in Hannover wird zwar ein Umdenken „vom Recht des Stärkeren zur Stärkung des Rechts“ gefordert und das Militär durch ein filigranes Netz von Vorbeugung und Verträgen zu fesseln versucht, doch es bleibt noch bestehen. Parallel zur Bändigung des Militärs muss aber dringend seine Abschaffung betrieben werden. Dazu die folgenden Argumente: Weiterlesen

Inspiration für ein neues Bachhaus (2012)

Inspiration für ein neues Bachhaus
Offener Brief an die Mitglieder des Vereins „Bach in Weimar“

1. Das Verfahren

Die Erwartungen an ein neues Bachhaus in Weimar sind groß. Doch welche Werte soll es verkörpern, welche Gestalt soll es erhalten und vor allem: Wie können wir zu einem Ergebnis kommen, das dem großen Bach gerecht wird?

Auf dem Architekturforum, das im Rahmen der Bach-Biennale 2012 stattfand, sagte jemand den Satz „Die Kunst ist nicht demokratisch“. Hintergrund dieser Aussage war die Frage, welchen Einfluss die Öffentlichkeit, namentlich der Verein „Bach in Weimar“ und die Stadt Weimar auf den Gang der Ereignisse hin zu einem neuen Bachhaus hätten. Der oben genannte Satz hat in diesem Zusammenhang eine demotivierende Wirkung, ihm muss deshalb widersprochen werden. Weiterlesen

Offener Brief an die Teilnehmer des PhD-Studiums Kunst und Design (Juni 2012 )

Offener Brief an die Teilnehmer des PhD-Studiums „Kunst und Design“ Juni 2012

Liebe PhD-Studierende der Fakultät Gestaltung,

Ich will mich zu einer fachlichen Frage des PhD-Studiums äußern.

Einerseits wird unser PhD-Studium bezeichnet als dritten Akt des Kunststudiums, andererseits wird die wissenschaftliche Komponente betont und mit den traditionellen Kriterien des Wissenschaftsbetriebes versehen. Oft wird das Ganze zweigeteilt gedacht: Hier eine bedeutende künstlerische oder gestalterische Arbeit, dort eine wissenschaftliche. Wenn man aber beide Formen der Welterkundung und gar noch weitere akzeptiert, muss man nicht dauernd auf den Unterschieden herumreiten, man sollte zunächst das Übereinstimmende sehen. Es bleibt dann vor allem die Frage nach dem Erkenntnisfortschritt. Weiterlesen

Grass meldet sich zu Recht (2012)

Grass meldet sich zu Recht

Unsere Chefpolitiker und Chefkommentatoren verstehen nicht, dass Literatur keine Äußerung eines Politikers sein will, sie vergessen, dass die Kunst in dieser Stromlienienzeit nicht ausgewogen, sondern unangemessen und kantig sein muss. Sie wollen nicht wahrnehmen, dass es außerhalb ihrer Gedankenwelt ganz andere Denkweisen gibt, die unbedingt gebraucht werden. Es ist richtig, dass Grass die Erstschlagphantasien Israels brandmarkt, weil wir tausendfach von den Atomphantasien des Iran informiert werden. Es ist richtig, die Finanzierungsschleifen der Banken und Reichen untereinander als Geldverschwendung zu entlarven, weil wir von der vermeintlichen Opfergabe des deutschen Steuerzahlers für die faulen Griechen übersatt informiert sind. Literatur und Kunst müssen etwas davon leisten, was die Medien uns verleiten. Weiterlesen

Die Ideen sind frei Manifest (2012)

Die Ideen sind frei!
– Ein Manifest für die Stadt –

Ein großer internationaler Wettbewerb für das Neue Bauhausmuseum in Weimar erbrachte über 530 Einsendungen aber – nach dem Durchgang der Jury – keinen überzeugenden 1. Platz. Das Ergebnis dieses Verfahrens spiegelte vor allem nicht die historische Bedeutung des Bauhauses als Avantgarde und wurde von vielen abgelehnt. Die Initiative „Volkswettbewerb Neues Bauhausmuseum“ wollte die standardisierte Herangehensweise in Frage stellen und schaffte es, dass innerhalb von wenigen Tagen über 25 teilweise sehr originelle Ideen aus der Bevölkerung eingebracht wurden. Im Nachklang zu diesem Widerspruch zwischen dem Konservatismus des offiziellen und der Frische des improvisierten Wettbewerbes ist das folgende Manifest entstanden. Weiterlesen

Eine Spur gelegt. Das Resümee (2012)

………………………………………………………………….….……… Eine Spur gelegt
Das Resümee zum Volkswettbewerb Neues Bauhausmuseum Weimar

Walter Gropius: „ Das Ziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau“.
Hannes Meyer: „Bauen ist eine öffentliche Angelegenheit“.

Was war passiert? Ein großer internationaler Wettbewerb für ein Bauhausmuseum in Weimar erbrachte über 530 Entwürfe und keinen einzigen, der dem Klassiker und Avantgardist der Moderne gerecht geworden wäre – jedenfalls nach den 27 Arbeiten zu urteilen, welche die Jury ausgewählt hatte und aus deren Mitte auch kein 1. Preis hervorging. Weshalb hat der gewöhnliche Architekturbetrieb versagt? Wahrscheinlich bestand der Hauptgrund in einer mangelnden Einstimmung aller Beteiligten auf die Symbolkraft einer solchen Bauaufgabe. Es gab offensichtlich eine unzureichende architekturtheoretische und kulturhistorische Vorbereitung auf den Wettbewerb, außerdem zuwenig unkonventionelles, am Avantgardismus des Bauhauses geschultes Denken auf allen Seiten. Es war offenbar der geistige Humus nicht bereitet, auf dem ein solcher Wettbewerb hätte gedeihen können. Weimar hat außer einem touristischen Interesse keinen geistig-kulturellen Bedarf am Bauhaus angezeigt, der vielleicht sogar ein Wiedergutmachen wegen des historischen Rauswurfes der berühmten Schule hätte einschließen können. Weiterlesen