Offener Brief an die Teilnehmer des PhD-Studiums Kunst und Design (Juni 2012 )

Offener Brief an die Teilnehmer des PhD-Studiums „Kunst und Design“ Juni 2012

Liebe PhD-Studierende der Fakultät Gestaltung,

Ich will mich zu einer fachlichen Frage des PhD-Studiums äußern.

Einerseits wird unser PhD-Studium bezeichnet als dritten Akt des Kunststudiums, andererseits wird die wissenschaftliche Komponente betont und mit den traditionellen Kriterien des Wissenschaftsbetriebes versehen. Oft wird das Ganze zweigeteilt gedacht: Hier eine bedeutende künstlerische oder gestalterische Arbeit, dort eine wissenschaftliche. Wenn man aber beide Formen der Welterkundung und gar noch weitere akzeptiert, muss man nicht dauernd auf den Unterschieden herumreiten, man sollte zunächst das Übereinstimmende sehen. Es bleibt dann vor allem die Frage nach dem Erkenntnisfortschritt.

Die Diskussion im PhD-Studium bezieht sich offensichtlich genau auf die Frage, was wohl Erkenntnisfortschritt sei, denn eine Promotion muss selbstverständlich eine neue und qualifizierte Aussage zu einem relevanten Problem enthalten. Die Erkenntnisse gewinnen wir aber nicht nur durch die Wissenschaft im eigentllichen Sinne, sondern überall – im praktischen Leben wie in der Kunst. Deshalb ist die Anwendung wissenschaftlicher Verfahren ein möglicher Weg der Erkenntnis, doch geht es in einem erweiterten Verfahren um mehr, es geht um die Entdeckung plausibler Kausalitäten, also um zusammenhängliche Ursache -Wirkungsbeziehungen – und der Bereich, in dem man Zusammenhänge erkennen und nachweisen kann, ist riesengroß.

Diese Aussage involviert einen komplexen Begriff vom Erkenntnisfortschritt. die Erkenntnis bildet sich im Experiment des PhD-Studiums möglicherweise erst am Ende des Zusammenspiels von künstlerischer Intuition und rationaler Argumentation. Das „PhD-Studium Kunst und Design“kann deshalb weniger auf knochenharte Fakten und ganze Zahlen zielen, sondern filigrane Wirkmechanismen und Imponderabilien entdecken, die auf wichtige gesellschaftliche Zusammenhänge, auf künstlerische und gestalterische Infiltrationen und Interventionen hinweisen.

Infolge dessen sind weniger die üblichen wissenschaftlichen Nachweise als Zeugen der Erkenntnis heranzuziehen als vielmehr die Tiefe und Unerschrockenheit des manchmal auch „wilden“ Denkens. Das gilt auch für das naturgemäß stärker der Logik zugetane Design. In unserem PhD können die vielleicht fehlenden exakten methoden der Wissenschaft durch scharfsichtiges Denken, Improvisieren und Experimentieren ausgeglichen werden. Eine Methodische Klarheit kann durch eine eher labile und verblüffende, sich dem Mainstream widersetzende Kreativität ersetzt werden. Immer steht die Frage, ob das Ergebnis einer mutigen Forschung einen relevanten Teil der Wirklichkeit richtiger abbildet und erklärt als zuvor, ob es also in einem durchaus widersprüchlichen Sinne wahr ist. Ein solcher Wahrheitsbegriff beinhaltet auch das Innovative, auch die Pfade in die Zukunft. Das Ziel jeder Forschung ist Aufklärung.

Ich würde also den Begriff „Aufklärung“ ins Zentrum stellen. Wie bei vielen anderen Begriffen ist auch der Inhalt von „Aufklärung“ umstritten, das heißt, er muss erobert werden. Aber gerade die damit verbundene intellektuelle Auseinandersetzung sollte Gegenstand des Phd-Studiums und das Argumentationsniveau innerhalb einer Arbeit sollte ihr höchstes Bewertungskriterium sein.

Bildlich bedeutet Aufklärung, einen Vorhang zu raffen oder einen Schleier über einem Teil der Wirklichkeit zu entfernen. Aufklärung ist also das Gegenteil von Verschleierung und Verklärung. Aber wir wissen, dass nicht nur Logik im engeren Sinne zu Erkenntnissen führt, sondern auch Surreales, Verfremdungen, Skurriles, Absurdes und so weiter. Das alles und in seiner logischen Widersprüchlichkeit zusammen ist eben künstlerische Forschung.

Die Hauptakteure des PhD-Studiums haben offensichtlch den Kern dieses Experimentes nicht darstellen können. Zu akademisch und auch bürokratisch war das Herangehen und zugleich willkürlich. in diesem Zusammenhang muss leider festgestellt werden, dass sich die Fakultät sowohl in ihrem programmatischen wie auch in ihrem menschlichem Zustand weit von ihren einstigen Grundlagen entfernt hat. Es tut mir für die PhD-Studierenden leid, dass sie die Fakultät Gestaltung in dieser Verfassung antreffen.

Das PhD-Studium hat aber Zukunft, streiten Sie dafür, betreiben Sie Aufklärung. Ich wünsche dabei gutes Gelingen.

Prof. Dr. Olaf Weber
Professor für Ästhetik i.R.
01.07.2012

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