Die Ideen sind frei Manifest (2012)

Die Ideen sind frei!
– Ein Manifest für die Stadt –

Ein großer internationaler Wettbewerb für das Neue Bauhausmuseum in Weimar erbrachte über 530 Einsendungen aber – nach dem Durchgang der Jury – keinen überzeugenden 1. Platz. Das Ergebnis dieses Verfahrens spiegelte vor allem nicht die historische Bedeutung des Bauhauses als Avantgarde und wurde von vielen abgelehnt. Die Initiative „Volkswettbewerb Neues Bauhausmuseum“ wollte die standardisierte Herangehensweise in Frage stellen und schaffte es, dass innerhalb von wenigen Tagen über 25 teilweise sehr originelle Ideen aus der Bevölkerung eingebracht wurden. Im Nachklang zu diesem Widerspruch zwischen dem Konservatismus des offiziellen und der Frische des improvisierten Wettbewerbes ist das folgende Manifest entstanden.

1.
Je größer das Interesse am Bauwerk, je zentraler der Bauplatz, je wichtiger die Funktion und die Symbolkraft des Vorhabens, umso stärker und differenzierter muss die Öffentlichkeit von Anfang an in den Planungsprozess einbezogen werden.

2.
Im Städtebau (der Bauleitplanung) ist diese Teilhabe der Bürger nur rudimentär vorhanden, bei der Entwicklung von Gebäuden aber fehlt sie fast gänzlich. Partizipation muss bereits bei den ersten Planungsvorbereitungen greifen, damit gerade die anfänglichen Schritte demokratisch entschieden werden können. Soll überhaupt gebaut werden, mit welcher Zielstellung, für welche Bedürfnisse und Interessen, unter welchen Bedingungen. Bei Wettbewerben ist es unerlässlich, den Ausschreibungstext und die Bewertungskriterien öffentlich zu diskutieren und zu einem Konsens zu führen. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bevölkerung sollten durch eine ergänzende Bauherrenrolle demokratisch aufgewertet werden.

3.
Über das bloße Kritisieren und Abstimmen hinaus ist die kreative Mitwirkung aktiver Bürger an den frühen Phasen der Entwurfsfindung entscheidend. Die aktiven Bürger gestalten von Anfang an mit. Sie treten vor allem zu Beginn und möglicherweise zu weiteren definierten Phasen in Aktion. Mitbestimmung reicht also weit in die Entwurfs-tätigkeit, den Kern des Architektenberufes hinein. Diese Teilhabe der Bevölkerung ist aber keine Diskreditierung der Fachleute. Der Entwurf bleibt in der Hand der Architekten, die für das Bauwerk als Ganzes verantwortlich sind und auch die Rolle des Moderators übernehmen.

4.
Der Aufruf zur Teilnahme an der Produktion von Architekturentwürfen folgt der Vermutung, dass gerade die dem Projekt vorgelagerte Ideenfindung kein Privileg der Architekten ist, dass vielmehr Architekturlaien erfrischende Ideen einbringen können. Sie betreffen Ziele und Grundfragen wie Standort und Lage, Sinn und Funktionen, Fragen der Ökologie, der Baugestalt, der Fassaden und vieles anderes mehr. Zu Beginn einer Bauwerksplanung sollte ein offenes Forum im Sinne von „Volksentwürfen“ die Vielfalt eigenwilliger Varianten aufzeigen.

5.
Das partizipatorische Element kann also bis ins bildnerische Entwerfen ausgedehnt werden. Laien denken baubare Bilder. Auch wenn die Bau-Ideen bildhaft sind, müssen sie nicht in Modellen oder Zeichnungen ausgedrückt werden. In den Frühphasen können sie auch sprachlich oder in jedem anderen Medium geäußert werden. Wer Ideen hat soll sie auch zeigen (können)!

6.
Die Entwurfsideen der Amateure müssen noch keine architektur-spezifische Sprache sprechen. Laien entwickeln ihre Ideen aus ihren komplexen Erfahrungen, sie sind möglicherweise weitschweifige Herleitungen eines Sinngehaltes, der Architektur werden kann.

7.
Die Kraft des Dilettantismus resultiert aus unverbrauchten, unkonventionellen Energien von Amateuren. Aber auch professionelle Architekten, Ingenieure oder Planer können sich aus dem Kreislauf der gewöhnlichen Architektur-Produktion herauslösen und zu Seiteneinsteigern ihres eigenen Berufes werden. Künstler sind aufgrund ihrer bildnerischen Phantasie und ihrer unkonventionellen Denkart für die Suche nach Bauideen besonders geeignet.

8.
Das öffentliche Ideenfinden muss als Prozess gedacht werden. Wie Demokratie ein gesellschaftlicher Prozess ist, in dem jeder und jede Einzelne als Mündig(e) betrachtet und zugleich mündig gemacht wird, so werden die Ideen der Laien von den Profis ernst genommen, zugleich werden beide durch die Zuwendung der jeweils anderen Seite qualifiziert. Die Teilhabe sensibilisiert also für den Gegenstand des Interesses. Letztlich entwickeln Profis und Amateure gemeinsamen einen Mehrwert.

9.
Das Interesse an einer architektonischen Problemlösung gründet sich nicht lediglich auf die Nachbarschaft oder die betroffene Stadt, es kann weltweit gespannt sein. Manchmal gibt es eine globale community, die als Ideen-Geber bereit steht und natürlich einbezogen werden sollte.

10.
Offene Ideenforen (people-brain-storming), und Volks-Entwürfe oder Volkswettbewerbe, sollen die Grundlage für ein neues aktives und bildnerisches Mitbestimmungs-Verfahren zur Hervorbringung von Architektur sein, das dem herkömmlichen Verfahren der lediglich wertenden und inaktiven Beteiligung der Bürger überlegen ist.

Prof. Dr. Olaf Weber und Julia Heinemann
Initiatoren des „Volkswettbewerbes Bauhausmuseum Weimar“
Mai 2012
siehe www.neuesbauhausmuseum.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert