………………………………………………………………….….……… Eine Spur gelegt
Das Resümee zum Volkswettbewerb Neues Bauhausmuseum Weimar
Walter Gropius: „ Das Ziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau“.
Hannes Meyer: „Bauen ist eine öffentliche Angelegenheit“.
Was war passiert? Ein großer internationaler Wettbewerb für ein Bauhausmuseum in Weimar erbrachte über 530 Entwürfe und keinen einzigen, der dem Klassiker und Avantgardist der Moderne gerecht geworden wäre – jedenfalls nach den 27 Arbeiten zu urteilen, welche die Jury ausgewählt hatte und aus deren Mitte auch kein 1. Preis hervorging. Weshalb hat der gewöhnliche Architekturbetrieb versagt? Wahrscheinlich bestand der Hauptgrund in einer mangelnden Einstimmung aller Beteiligten auf die Symbolkraft einer solchen Bauaufgabe. Es gab offensichtlich eine unzureichende architekturtheoretische und kulturhistorische Vorbereitung auf den Wettbewerb, außerdem zuwenig unkonventionelles, am Avantgardismus des Bauhauses geschultes Denken auf allen Seiten. Es war offenbar der geistige Humus nicht bereitet, auf dem ein solcher Wettbewerb hätte gedeihen können. Weimar hat außer einem touristischen Interesse keinen geistig-kulturellen Bedarf am Bauhaus angezeigt, der vielleicht sogar ein Wiedergutmachen wegen des historischen Rauswurfes der berühmten Schule hätte einschließen können.
Ein neues Bauhausmuseum muss aber seine weltweite Bedeutung in einem Weimar darstellen können, das bereit ist, den Avantgardismus des Bauhauses als Initiation der andauernden Moderne zu akzeptieren. Das scheinen aber die Teilnehmer nicht gespürt zu haben, so dass überwiegend konservativ gestimmte Ergebnisse entstanden sind, die der Idee des Bauhauses nicht zugehören Die Frage nach dem Avantgardismus von heute wäre dagegen der kluge Ausgangspunkt für die Suche nach einem Museum gewesen.
Wie sich die moderne Architektur überhaupt nur aus einem Überschuss an Geistigem erschaffen kann, um gegenüber den großen Beton- und Raumvolumina zu bestehen, so erfordert ein öffentliches Bauen von der globalen Bedeutung eines Bauhausmuseums in ganz besonderem Maße diese geistige Fülle. Neben dem Aufruf des Expertenwissens hätte das auch etwas anderes bedeuten können, nämlich die Erweiterung der Öffentlichkeit auf die Gesamtheit der Interessierten, also eine offene Diskussion über alle Fragen des Wettbewerbes (people – brainstorming).
Weimar hätte demokratischer werden können. Die Einbeziehung aller Interessierter an den Fragen der Gestaltfindung hätte das Ergebnis mit Sicherheit verbessert – ähnlich der Standortdiskussion, die vorher durch eine breite Öffentlichkeit qualifiziert worden war. Fragen nach der konkreten Baugestalt, dem Inhalt und Ausdruck, der Symbolkraft eines künftigen Bauhausmuseums wurden aber überhaupt nicht öffentlich diskutiert.
Nach dem Mittelmaß des offiziellen Wettbewerbes war es deshalb das Ziel der unabhängigen Initiative des „Volkswettbewerbes“ die Öffentlichkeit an den Kernbereich der Architekturplanung heranzuführen, an das Entwerfen. Das Finden von architektonischen Ideen ist nicht nur Sache der Architekten. Es zeigt sich, dass so genannte Laien erstaunlich frische Bilder für Bauwerke entwickeln. Gefragt waren Potentiale, die bildhafte Ideen im baulichen Maßstab denken können.
Man kann davon ausgehen, dass es eine verschüttete, doch wichtige Kraft des Dilettantismus gibt. Zahnärzte, Ingenieure, Schüler, Mechaniker, Hausfrauen, emeritierte Professoren und vor allem Künstler haben durchaus eindrucksvolle Bilder von dem, was architektonisch passieren könnte. Sie entwickeln Bauideen und teilen sie in einfachen Modellen, Zeichnungen oder Beschreibungen mit. Sie sind hervorragende Ideengeber in der Frühphase des architektonischen Entwurfes.
Gerade die Frühphasen sind aber bei solchen Bauaufgaben, die unkonventionelle und durchgeistigte Lösungen brauchen, für die Qualität des Ergebnisses entscheidend. Offene Ideenwettbewerbe oder Volkswettbewerbe können in der entscheidenden Frühphase der Planung durch aktive Raum-, Bild- und Strukturerfindungen die anderen demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten ergänzen.
Die entwerfende Teilnahme der Bevölkerung kann die Basis für eine gegenseitige Offenheit und Akzeptanz während der gesamten Planungs- und Bauphase des Bauvorhabens (und darüber hinaus) sowie den fruchtbaren Nährboden für das Berufsfeld des Architekten bilden.
Nachdem in Weimar der Streit um den Bauplatz sowie die Vorbereitung und Durchführung des offiziellen und unbefriedigenden Wettbewerbes fast 3 Jahre in Anspruch genommen hatte, kam der Volkswettbewerb zwar viel zu spät, war aber trotzdem sehr wichtig. Nach dem Aufruf zum „Volkswettbewerb“ reichten innerhalb von nur 10 Tagen mehr als 25 Bürger ihre Ideen ein. Es beteiligte sich ein guter Querschnitt der Bevölkerung mit Modellen, Fotos, Zeichnungen, Objekten und Schriftstücken an der Ideenfindung. So verschieden die Berufe und das Alter der Beteiligten waren, so unterschiedlich erwiesen sich auch die Vorschläge. Teilweise beinhalteten sie realistische Veränderungen gegenüber den Entwürfen der oberen Etage (dem offiziellen Wettbewerb), andere schlugen radikale Eingriffe in den urbanen Kontext vor, wiederum andere entwickelten innovative Baustrukturen oder kommentierten mit Objekten und Bildern den Zustand der offiziellen Architektur. Auf der Website: http://www.neuesbauhausmuseum.de wurde eine Diskussion um das Bauhausmuseum Weimar und die Planungsmethodik eines „Volksentwurfes“ angestoßen. daraus lässt sich bereits das unbedingte Ja zu der Frage ableiten, ob in Zukunft bei großen öffentlichen Bauvorhaben die Bevölkerung an der Ideenfindung beteiligt werden müsse.
Der Weimarer „Volkswettbewerb“ war ein Experiment. Sein Ziel war es nicht, innerhalb von 10 Tagen einen neuen Palladio „des Volkes“ hervorzubringen. Ziel war es, durch eine Aktion die Unzulänglichkeit des offiziellen Wettbewerbes deutlich zu machen und das geistige Klima dieser Stadt im Sinne des Bauhauses für Innovationen zu öffnen. Dieses Vorhaben ist gelungen. Die Planung eines Bauhausmuseums, das den Widerspruch zwischen dem Bauhaus als Avantgarde und einem Museum des Gedenkens in sich aufhebt und in die Zukunft weist, wird Weimar aber wahrscheinlich nicht gelingen.
Es gibt keine falsche Zeit für richtige Fragen. Ist Weimar reif für ein neues Bauhausmuseum? Die Stadt als Ganzes und die Klassik Stiftung Weimar als Auftraggeber haben dafür keine Antwort gefunden. Weimar hat viel Zeit vertan. Versäumnisse zwingen aber nicht zum Bauen. Besser kein Bauhausmuseum als ein langweiliges. Besser ein kleines als ein konventionelles, besser ein Null-Energiehaus als eine Dampflok. Wir schlagen ein Moratorium für das Bauhausmuseum vor. Die Denkpause soll zur Bauhaus-Inspiration genutzt werden. Vor allem soll jener Mut, jene Heiterkeit, Lebendigkeit und Kreativität gewinnen, welche am Bauhaus herrschten und welche die Entwürfe für einen neuen Ort des Bauhauses auszeichnen sollten. Die Gestalt eines solchen Ortes ist noch nicht gefunden. Wahrscheinlich müssen wir unter ganz anderen Bedingungen neu anfangen.
Prof. Dr. Olaf Weber
Julia Heinemann
siehe www.neuesbauhausmuseum.de