Aufruf zum Volkswettbewerb (2012)

Prof. Dr. Olaf Weber
Julia Heinemann

Aufruf zum „Volkswettbewerb Neues Bauhaus-Museum Alternative“

Der Architektur-Wettbewerb zum Bauhausmuseum hat viele Entwürfe hervorgebracht – und leider wenig Ideen. Das ist schade, denn Weimar braucht nicht nur ein irgendwie ansprechendes Gebäude, sondern ein solches, das einen historischen Dialog mit dem Bauhaus führt. Vor allem müsste es eine Antwort auf die Frage geben, wie sich heute Avantgarde definiert.

Wahrscheinlich waren die meisten Autoren von den üblichen Zwängen der Kennzahlen und Normierungen so geschädigt, dass sie zum Kreativen und Konzeptuellen kaum mehr vordringen konnten. Betrachten wir die besten Entwürfe, so gibt es solche, die interessante Baukörper oder Raumlösungen vorschlagen, die sich um die Einordnung in das Stadtgefüge bemühen oder interessante Fassaden- und Dachgestaltungen aufweisen. Ob die Baukörper zu hoch oder zu lang oder zu klein zu breit oder zu rund sind, darüber könnte man trefflich streiten, doch darum geht es nicht. Architektur ist zunächst etwas Geistiges bevor es Haus wird – und Architektur bleibt auch dann etwas Geistiges, wenn das Haus fertig ist und auf die Stadt und seine Besucher ausstrahlt. Moderne Architektur basiert auf konzeptionellen Ideen, auf einer Philosophie über das Haus oder einer Programmatik, wie es uns das Bauhaus vorgemacht hat. Eine solche Konzeptarchitektur begründet ihre Gestalt aus dem Inhalt der Architektur, die es in Themen und Formen verwandelt.

Da es sich bekanntermaßen nicht um eine Großgaststätte oder ein Kartonmuseum handelt, sondern um ein Erinnerungsort für das Kreativste, das Weimar im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, muss diese „Schule des Erfindens“ vor allem der Ausdruck eines unabhängigen und unkonventionellen Denkens sein. Eine solche Kreativität kann nicht nur mit historischen Ausstellungsstücken belegt werden, sondern muss die heute verfügbaren Freiräume ausfüllen, muss sich in der Organisation des Erlebens und in der Symbolik des Baukörpers ausdrücken.

Es gibt Entwürfe, die in diese Richtung weisen. Ihr Kompass ist Kleinheit, sie wollen nicht mit dem Monster des Gauforums konkurrieren, das ist sympathisch. Doch das Bauhaus war eine weltumspannende Bewegung, deren Programmatik einem ganzen Jahrhundert den Stempel aufgedrückt hat, Bescheidenheit ist unangebracht. Aber die Großartigkeit des Bauhauses kann sich statt in Volumina in Kreativitätsmodulen vergegenständlichen. Doch die dafür entwickelten Symbolträger und Ausdrucksformen müssen intensiv und Plausibel sein.

Manche Vorschläge könnten vielleicht auch Architekturgeschichte schreiben wie der Entwurf der wohl bekanntesten Teilnehmerin Zaha Hadid, die einen eleganten, mehrfach geschwungenen Baukörper vorschlägt. Doch dieser exklusive Bau verkörpert vor allem „Zaha Hadid“. Vielleicht wäre statt des Markenzeichens ein mit baulichen Mitteln ausgetragener Dialog zwischen ihr und den Ideen des Bauhauses noch spannender gewesen.

Wie kann man das Bauhaus als Idee (nicht nur als ausgestellte Exponate von der Wagenfeld-Leuchte bis zur Keler-Wiege) in das Museum bringen, wie kann man heute Bauhaus leben? Offensichtlich nicht durch einen Architekten, der ein vorgegebenes Raumprogramm auf die Akten der Bauvorschriften und diese auf die Farben von Kreis, Dreieck und Quadrat legt. Um die müden Konventionen zu sprengen müssen wir uns mit ein paar Sätzen über das Phänomen „Bauhaus“ verständigen.

1. Bekenntnis zur Avantgarde. Das Bauhaus war vor allem Künstlerische, auch technische, soziale und kunstpädagogische Avantgarde. Es wurde Mitte der 20er Jahre von kleinbürgerlichen und volkskonservativen Kräften aus Weimar vertrieben. Heute wird das gealterte Bauhaus in Gestalt eines Museums gern willkommen geheißen, wobei man häufig auf wirtschaftliche Vorteile verweist. Ein Bauhausmuseum kann aber nur in einem kulturellen Milieu gedeihen, in dem ein tiefes Verständnis für einen Avantgardismus unserer Zeit besteht, der durchaus auch andere Ziele mit unbequemen Mitteln verfolgt.

2. Der ökologische Aspekt. Bei Gründung des Bauhauses schien das Verhältnis des Menschen zur Natur noch in Ordnung zu sein. Es ist keine Spekulation zu behaupten, dass das Bauhaus heute ein Ort des ökologischen Radikalismus wäre. Eigentlich müsste es selbstverständlich sein, den Erinnerungsort an diese Avantgarde als ökologisches Projekt und Null-Energie-Haus zu konzipieren.

3. Die Ästhetik. Das Bauhaus wollte den Schwulst der Kaiserzeit durch eine sachliche Gestaltung vernichten. Aber es wollte nicht nur die Reduktion, sondern darüber hinaus eine neue Grammatik, eine neue architektonische Formensprache entwickeln. Dieser Versuch ist historisch abgebrochen worden, doch war der Boden für Phantasie und Spiel bereitet. Avantgarde würde heute bedeuten, den technischen und digitalen Neuerungen mit künstlerischem Mut zu begegnen, zu experimentieren und neue ästhetische Körper, Räume und Oberflächen zu produzieren.

4. Öffentlicher Disput und Mitbestimmung. Die Demokratisierung der Gesellschaft war 1919 in eine neue Phase getreten, diejenige der Weimarer Republik. Aber direkte Demokratie und Mitbestimmungsmodelle spielten damals noch keine Rolle, sie wären aber heute in der Planung eines Museums dieser Avantgarde unbedingt nötig. Die Diskussion um das neue Bauhausmuseum bezog sich in den letzten Jahren fast ausschließlich auf den Standort, nicht aber auf die Architektur. Das macht sich nun bemerkbar.

Die Jury hat festgestellt, dass keine der eingereichten Arbeiten das Niveau eines Bauhausmuseums erreicht. Das eröffnet die Chance einer Mobilisierung weiterer Potentiale und neuer Impulse, die in den Findungsprozess einfließen können. Die Bedeutung des Bauhauses verlangt eine große Dichte an Ideen und Konzepten, es gibt daran kein Zuviel. Für jede große Aufgabe wird ein Überschuss an Ideen benötigt.

Aufruf zum
„Volkswettbewerb Nneues Bauhaus-Museum Alternative“

Alle können teilnehmen, Nicht-Architekten sind besonders willkommen. Der Dilettantismus ist eine moderne Gestaltungskraft.
Gesucht werden unkonventionelle Lösungen für das Bauhausmuseum, es brauchen keine Kennziffern eingehalten zu werden. Der Baukörper sollte nach einfacher Logik ein Museum beinhalten können und aus Phantasie bestehen.
Die Vorschläge können sowohl das Ganze als auch Einzelheiten betreffen. Also können auch Verbesserungen oder Ergänzungen von Arbeiten des offiziellen Wettbewerbes vorgeschlagen werden. Keine Idee ist umsonst.
Da es um Ideen geht, ist ihre Darstellung zweitrangig. Es wird empfohlen, ein Modell in beliebigen Materialien und Maßstäben zu bauen, das die Neuigkeit zum Ausdruck bringt. Die Idee kann auch gezeichnet oder nur beschrieben werden, auch andere Kunstgattungen sind möglich.
Die Teilnehmer bilden zugleich das Preisgericht. Ideen werden wie so oft nicht bezahlt. Auf die Teilnehmer warten jede Menge Überraschungen. Es geht sehr demokratisch zu, der vorletzte und der letzte Preis werden nicht vergeben.
Die Arbeiten können im Kreise von Freunden vorgestellt oder auf der eigenen Facebook-Seite diskutiert werden. Aber sie sollten im Neuen Museum gezeigt werden. Eine diesbezügliche Anfrage ist an die Klassik-Stiftung unterwegs.
Das ist ein Eil-wettbewerb! es ist beabsichtigt, die alternativen Entwürfe ab donnerstag,den 06.April zu präsentieren, also in den letzten Tagen der offiziellen Ausstellung.
Kontakt und Rückfragen: olaf.weber@uni-weimar.de
Internet: www.neuesbauhausmuseum.de
Bauen kann nur ein Überschuss an Ideen sein!

Als Flyer gedruckt und verteilt.
Auszüge in: www.neuesbauhausmuseum.de

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