Das Bauhausmuseum als Stadt (2009)

Das Bauhausmuseum als Stadt

25 Millionen für ein Bauhausmuseum und das schnell, aber wohin damit?

Die Klassik-Stiftung bevorzugt natürlich den Theaterplatz mit dem klassizistischen Kulissenhaus als Ouvertüre für das Moderne. Nur scheinbar macht aber die Ehe von Bauhaus und Klassik einen Sinn. Das Bauhaus gehört dem an, was wir heute fälschlicherweise die „klassische Moderne“ nennen. Der Begriff ist aber ein totales Missverständnis deshalb, weil die „Klassik“ nach allgemeinem Sprachgebrauch auf eine besonders abgerundete Phase einer historischen Kulturepoche, also auf den harmonisierten Höhepunkt eines Stiles hindeutet. Das Weimarer Bauhaus war aber alles andere als etwas Abgerundetes, es war ein brodelnder Neuanfang, der provokant unorthodox seine Programmatik ständig wechselte und sehr widersprüchlich war, eben eine Avantgarde. Lediglich eine gewisse tektonische Klarheit lässt es zu, ein Gebäude wie das Dessauer Bauhaus in die Nähe eines antiken Tempels zu rücken. Nichts ist sonst vergleichbar. Bauhaus und Klassik sind Gegensätze.

Gegensätze können sich aber durchaus befruchten und ihr Zusammentreffen kann eine produktive Gedanklichkeit auslösen. Am Theaterplatz besteht das Hauptproblem in der übergroßen Fokussierung auf die Mitte und dem schwierigen Einfädeln des Neubaues in die schmale Fläche des Zeughofes. Die enorme Konzentration von Kulturinstitutionen im Herzen der Stadt würde wohl den Theaterplatz überlasten und das touristische Weimar noch kleiner machen. Wäre nicht Ausweitung geboten?

Einige Kritiker dieses Standortes wollen aber noch mehr Funktionen und noch mehr Bauvolumen konzentrieren. Eine große Idee brauche eine große Lösung und gemeint ist ein noch größeres Gebäude und ein noch größerer Architekt. Kann das aber die Lösung sein, zumal auf dem Gelände oder in der Nähe des Gründungsortes, also der Bauhaus-Uni, leider keine Reservefläche mehr vorhanden ist. Ein Bauhausmuseum an der ehemaligen Minol-Tankstelle würde das touristische Areal allerdings erweitern und damit keinen wertvollen Ort verbrauchen, sondern dazu verhelfen, ein unattraktives Viertel aufzuwerten. Man könnte sich durchaus auch vorstellen, ein schönes Gebäude gegen die Rückfassade des „Gauforums“ gesetzt, könnte den Sieg der Moderne über die monströse Architektur der Nazis trefflich symbolisieren.

Alle bisher diskutierten Standortvorschläge setzen aber auf Vermarktungsstrategien, die sich innerhalb der traditionellen, dem 20. Jahrhundert entstammenden Architektur- und Planungsmethoden bewegen. Wir kommen einer Lösung unseres Museumsproblems aber nur näher, wenn wir ganz zeitgenössisch auf „Avantgarde“ setzen. Was ist aber heute Avantgarde, diese Frage sollte zur Grundlage jeder Diskussion um ein Bauhaus-Museum gemacht werden. Wenn eine solche Diskussion geführt würde, könnte sie nur radikal und gegenwärtig sein. Wir stehen vor einem neuen Umbruch, die Wachstumsfrage muss gestellt werden, die Frage nach einer komplexen Ökobilanz, nach einer komplexen Funktionalität der Architektur. Wir brauchen keine Stararchitekten, die sich und anderen bauliche Denkmale setzen wollen, die großen Prestigebauten sind out. Avantgardismus heute umgeht die Wachstumsfalle und zielt auf stofflich bescheidene, geistig aber anspruchsvolle Projekte. Für das Bauhausmuseum könnte das heißen, auf ein neues dickes Gebäude zu verzichten und damit der von konservativen Kräften erzwungenen architektonischen Unproduktivität des Weimarer Bauhauses noch einmal zu einem kritischen Ausdruck zu verhelfen.

Ich kann mir vorstellen, dass ein Bauhaus-Tourist in Weimar nicht 4 Stunden in einem großen Klotz verbringen muss, sondern bei einem Spaziergang durch die Stadt immer wieder mit Attributen des Bauhauses konfrontiert wird, mit kleineren Ausstellungsräumen, die teilweise in leerstehenden Gebäuden und Räumen untergebracht sind, teilweise aber auch hypermoderne Partikel in unserem traditionell geprägten Stadtbild darstellen. Diese Dezentralisierung zum räumlichen Grundmuster eines Bauhausmuseums zu machen, ist keine kleinliche Flucht vor einer großen Aufgabe, sondern die modernste und fortschrittlichste Lösung, die sowohl dem fußläufig erschlossenen Weimar als auch dem sehr heterogenen Bauhaus gemäß ist. Das elementarisierte Bauhaus-Museum wird durch seine Einbindung in eine permanente Stadtreparatur und durch seine Anbindung an andere Institutionen, Werkstätten und Betriebe hochflexibel sein, es ist nicht nur Museum, sondern auch Produktivkraft und sich räumlich erstreckendes Kreativzentrum, es ist voll integriert, seine Ökobilanz wird nicht nur am Einzelobjekt definiert, sondern hat eine urbanistische Dimension. Ein solches Museum lässt sich an einer nachfossilen Ästhetik messen, deren Avantgardismus über das Bauhaus ins 21. Jahrhundert hinaus weist.

Natürlich ist ein solches dezentrales Museum – das Bauhausmuseum als Stadt – nur durch intelligente Ein- und Umbauten, durch hochmoderne Technik und ein plausibles corporate identity zu verwirklichen. Ein solches Museum wäre nicht primitiv und langweilig, sondern zukunftsweisend und sinngebend. Es wäre ein Novum im Museumsbau, dazu Bauhaus- und Weimar-typisch. Es würde die Diskussion um die Standortfrage entkrampfen. Das einzige Problem würde nach Lage der Dinge darin bestehen, die von den 25 Mill. eingesparten Mill. Euro woanders unterzubringen.

Prof. Dr. Olaf Weber
in Thüringer Allgemeine 04.08.09

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