Elite-Universität?
Kann oder möchte die Bauhaus Uni eine Elite-Universität werden? In der Weimarer hochschulpolitischen Debatte spielt diese Frage eine zunehmende Rolle. Sie ist eingebettet in solche Themen wie interdisziplinäre Forschungsprojekte, Drittmittel, globales Bauhausnetz, Privatisierung, Studienreform und Studiengebühren.
Ist „Elite-Uni“ nur ein von der Politik ins Spiel gebrachter provokanter Begriff, der dringend notwendige Denkprozesse initiieren soll oder steckt dahinter ein neo-konservatives Programm zur Förderung des Leistungsgedankens? Ich halte den Elitebegriff in jedem Falle für überflüssig, irreführend und negativ, ganz falsch ist es aber, das historische Bauhaus für ihn zu bemühen. Die Bauhäusler wären entsetzt, wenn ihre Institution mit „Elite“ in Zusammenhang gebracht würde. Bekanntlich zeichnete sich die Bauhausprogrammatik gerade dadurch aus, dass jeder elitäre Gestus ausgeschlossen wurde, es gab dort Meister und Gesellen, nichts Professorales und keinen Geniekult. Aber das Bauhaus fühlte sich als Avantgarde, als intellektuelle, künstlerische und auch soziale Kraft der Zukunft.
Heute ist der Begriff der Elite an hierarchisches Denken, wirtschaftliche und politische Macht und Exklusivität gebunden. Ökonomisierung und Privatisierung der ganzen Gesellschaft sind die Grundmuster, mittels derer immer mehr wirtschaftliches Handeln auch in Bereiche der Kunst, Kultur und des freien Denkens eindringt und dort über die letzten Refugien eines marktfreien geistigen Austausches dominiert. Das universitäre Leben wird auch in den nicht wirtschaftlich ausgerichteten Disziplinen ökonomisch durchgestylt. Die Formalisierung von Forschung und Lehre steigt stetig an und der Aufwand für monitär geprägte Entscheidungen nimmt bei jedem einzelnen Hochschullehrer weiter zu. Diese fachfremde Arbeit frisst schon heute viel zu viel Lehr- und Forschungspotential auf.
Und weil hinter solcher Hochschulpolitik der Neoliberalismus steckt und weil dieser eine Ideologie ist und weil es weiterhin zu den vornehmsten Aufgaben des intellektuellen Potentials einer Universität gehört, sich den Ideologien zu widersetzen und dem mainstream zu mißtrauen, sollten wir uns in der Debatte um die dringend notwendige Hochschulreform nicht vor einen falschen Karren spannen lassen, der offensichtlich nicht in die richtige Richtung läuft.
Übrigens nannte sich das Bauhaus ganz bewusst „Staatliches Bauhaus Weimar“. Gropius sah offensichtlich in der Staatlichkeit eine größere Unabhängigkeit denn als private Einrichtung. So könnte auch die Aufnahme von Kontakten zu einem privaten chinesischem Institut eine problematische politische Komponente enthalten, jedenfalls ist sie nicht historisch zu begründen.
Eliteuniversitäten sind eines der Einstigstore in die Studiengebühren. Dort werden sie zuerst erhoben und der Geldsegen der reichen Papas wird dem Staat die Gelegenheit geben, sich aus seiner Verantwortung Schritt für Schritt zu entfernen – mit der Folge, dass die staatlichen Hochschulen immer mehr verkommen. In diesem gedanklichen Umkreis wird die anvisierte Stipendien-Stiftung der BU auch nur ein soziales Feigenblatt für eine privatisiere, elitäre Hochschule sein – und zunächst der Aufhänger für unsoziale Studiengebühren. Etwas anderes ist m.E. die Diskussion um eine Akademikersteuer nach einem kostenfreien Studium.
Die Forschung ließ sich schneller ökonomisieren als die Lehre, deshalb ist sie in das Zentrum der Hochschulpolitik gerückt. Der Bildungsauftrag dagegen wurde in den letzten Jahren immer öfter vernachlässigt. Es gibt einen Nachholbedarf bei der Reform der Lehre und besonders bei der Schaffung günstiger Studienbedingungen. Der Bildungsauftrag besteht darin, kenntnisreiche, kritische und kreative, also kompetente Studenten auszubilden, die mit einer Summe von technischen, kulturellen und sozialen Fähigkeiten ausgestattet sind.
Dafür wurde an der Fakultät Gestaltung seinerzeit das sog. „Weimarer Modell“ implementiert, das vor allem ein integriertes Projektstudium mit folgenden Komponenten ist: = Exemplarisches Lernen,= Interdisziplinäres Arbeiten,= Beziehungsreichtum von Theorie und praktischer Lehre,= horizontal und vertikal organisierte Studierendengruppen und = eine große Durchlässigkeit der Studiengänge. Insgesamt ist dieses Studium durch eine relativ geringe Strukturiertheit gekennzeichnet und durch einen permanenten Wechsel (der Lehrenden, der Themen, Lehrmethoden und Räume). Es ist deshalb ein Studium, das der Offenheit der Berufswelt, der Selbstbestimmtheit der Studierenden und der Komplexität unserer Zivilisation in hohem Maße Rechnung trägt.
Dieses „Weimarer Modell“, das für die gesamte BU relevant wurde, ist inzwischen auch zum Vorbild für eine Reihe anderer Kunst- und Designausbildungsstätten geworden. Dieses Modell muss in der gegenwärtigen hochschulpolitischen Debatte Bestand haben und ausgebaut werden. Die Modularisierung und das Leistungspunktsystem werden in Zusammenhang mit dem zweistufigen Studienmodell (bachelor/master) die Eigenart unseres Konzeptes verwässern und das Studium insgesamt formalisieren. Davon unabhängig sind aber große reale Defizite in der Lehre zu erkennen. Die Studienbedingungen an der BU sind alles andere als ideal. Viele der teils hoch motivierten Studenten erleiden bereits nach ein paar Monaten eine Sinnkrise, die sie am eigentlich guten Lehrmodell zweifeln läßt. Vor allem fehlt an der BU eine kreative Lern- und Studienatmosphäre, die Projekträume sind außerhalb der Zeiten für das Plenum gähnend leer, weil die Studierenden keinen festen Arbeitsplatz haben. Die durchaus existierenden guten Studienergebnisse sind meist Einzelleistungen, die nicht aus dem Ferment der Hochschule und dem Katalysator ihrer Öffentlichkeit hervorgegangen und von ihr potenziert worden sind.
Die Hochschulpolitik der nächsten Jahre sollte auf Prestigeprojekte verzichten und vor allem die Lehr- und Lernbedingungen verbessern, deren finanzielle und personelle Aspekte haben sich leider in den letzten Jahren verschlechtert, die räumlichen nicht wesentlich verbessert.
Entscheidend wird die Qualität der Ausbildung sein. Hier müssen wir auch der leeren Kassen wegen kreative Lösungen innerhalb der Uni finden, nach außen aber den Druck zur Verbesserung der Rahmenbedingungen aufrecht erhalten. Nur wenn wir der neoliberalen Macht mit einem intellektuellen Einspruch begegnen und unser eigenes Modell verbessernd verteidigen, werden wir nicht nur eine gute, sondern eine sehr gute Uni werden, vielleicht sogar eine weltweit begehrte, hoffentlich aber keine Elite-Universität.
Prof. Dr. Olaf Weber, Fakultät Gestaltung
11.01.05