Zum 13. Februar 1945
Wer wie ich vor 60 Jahren als kleines Baby durch das Flächenbombardement auf Dresden obdachlos geworden, aber am Leben geblieben ist, der wird an diesem Jahrestag in besonderem Maße an die Negativität von Krieg und Gewalt erinnert. Damals kam der Tod für viele Tausende Männer, Frauen und Kinder aus den Flugzeugen der Alliierten. Wir dürfen und müssen fragen, ob es dafür eine ausreichende Legitimation gab. Diese Frage führt zu der anderen, ob man Verbrechen miteinander vergleichen kann. Ich glaube, das ist in diesem Falle dann möglich, wenn man deutlich bekennt, dass Deutschland der Urheber dieses unvergleichlichen industriellen Mordens war und Deutschland deshalb eine große Schuld auf sich geladen hat. Nur wenn wir diese Schuld aus tiefstem Herzen und Verstand anerkennen und bereit sind, daraus die Konsequenzen für die Gegenwart zu ziehen, dann können wir die inhumane Sinnlosigkeit dieser Bombardierung auf Dresden und andere deutsche Städte deutlich benennen.
Krieg ist immer Massenmord. Auch solche Konflikte wie der im afrikanischen Ruanda oder das Massaker von Srebrenitza scheuen wir uns nicht, als Massenmord zu bezeichnen. Zum Problem wird der Begriff offensichtlich dann, wenn es sich um Übergriffe der westlichen Demokratien handelt, vor allem um brutale Vorgehensweisen des US-Militärs. Im Falle der Flächenbombardements auf Dresden, auf vietnamesische Städte und Dörfer, auf irakische Städte, im Falle des Atombombenabwurfes auf Hiroshima und Nagasaki scheut sich die öffentliche Meinung, das Ding beim Namen zu nennen: Es waren Massenmorde. Das Verschweigen ist unredlich und heuchlerisch. Der einzige brauchbare Ansatz für die Beurteilung von Gewalt ist der pazifistische, weil er sich auf die Menschenrechte bezieht. Dieser besagt, dass jeder Krieg Gewalt gegen Unschuldige ist, seien es Zivilisten oder feindliche Soldaten. Ein Flächenbombardement, noch dazu auf zivile Strukturen, ist klarer Massenmord, weil die Tötung vieler Unschuldiger in Kauf genommen wird. Vor diesem pazifistischen Hintergrund sind die Massenmorde der Nazis mit denen anderer Länder vergleichbar, wenn auch nicht gleichzusetzen. Der Pazifismus verharmlost nicht die Verbrechen der Nazis, sondern verdeutlicht sie als den Gipfel der Ungeheuerlichkeit unter den anderen Grausamkeiten, die ihres geringeren Maßes wegen nicht vergessen werden dürfen. Das ist etwas völlig anderes als der Versuch der neuen Rechten, durch Relativierung die Verbrechen der Nazis abzuschwächen.
Flächenbombardements lassen sich durch nichts rechtfertigen, wie sich auch Folter nicht mit einem „höheren“ Zweck legitimieren lässt. Ein Angriffskrieg hat außerhalb eines UNO-Beschlusses überhaupt keine Grundlage. In der deutschen Öffentlichkeit muss klar gesagt werden können, dass Bomberpiloten keine Helden, sondern nach ihrem Staffeleinsatz Massenmörder sind. Gerade die Verantwortung vor unserer Geschichte zwingt uns zur strikten eigenen Friedfertigkeit und zum unermüdlichen Engagement für den Frieden. So verstanden schmälern wir auch unsere Schuld gegenüber den Opfern des Holocaust nicht, sondern werden ihr erst gerecht, wenn wir die seit 1967 andauernde israelische Besatzerpolitik in Palästina scharf kritisieren.
Übrigens gab es noch keinen Krieg, der nicht mit einer Lüge begonnen hätte, die Militärs und Machthaber müssen lügen, um einen Krieg beginnen zu können. In einer globalisierten Welt braucht man überhaupt keine Militärs, sondern friedliche Methoden der Konfliktbewältigung und eine internationale Eingreiftruppe der UNO, die nach polizeilichen und nicht militärischen Methoden arbeitet. Der 13. Februar 1945 sollte deshalb auch ein Signal zu einer absolut machbaren, nur nicht gewollten Abrüstung sein.
Jan. 2005 (veröffentlicht)