Flüchtige Symbole (2005)

Prof. Dr. Olaf Weber
Lehrstuhl Ästhetik
Als Gast: Angela Hausheer, Performance-Künstlerin, Schweiz

Seminar mit Workshop
Flüchtige Symbole

Im Seminar werden theoretische Grundlagen für ein Spiel mit flüchtigen Symbolen erarbeitet. Das sind szenische Arrangements mit Personen und Dingen, die man als „Standperformance“ oder „bewegliche Bilder“ bezeichnen könnte. Der Körper ist dabei Bild und Aktion. „Standby“ ist das Sinnbild für eine Bewegung, die angehalten ist, anzuhalten, Zu den theoretischen Studien gehören vor allem Erkenntnisse aus der Zeichen- und Symboltheorie, der Theorie der Performance, der Bildtheorie und der Praxis der Körperkunst. Neben dieser Erkenntnis-Arbeit werden im Seminar auch reale Konzepte für moderne „Standby´s“ erarbeitet. Diese Fiktionen enthalten Ideen und Methoden für die künftigen „flüchtigen Symbole“ des workshops. Aus der Geschichte sind ähnliche Darstellungen als „lebendige Bilder“(tableaux vivants) bekannt (vgl. Seminar WS 04/05, Leitung Dr. S. Opitz).

Workshop: In zwei Wochenend-Workshops mit Angela Hausheer (Ende Juni) werden die Konzepte des Seminars in wirkliche, doch ephemere Statuen übersetzt. In diesem Prozess werden die fiktiven Symbole mit den performativen Aspekten des Themas „Bild und Bewegung“ konfrontiert. Dieses zwittrige Dasein zwischen Hektik und Stillstand ist offensichtlich typisch für den Zustand unserer Zivilisation und deshalb wiederum symbolisch. Die entstandenen Körperinszenierungen werden im Rahmen des Rundganges der Fakultät Gestaltung präsentiert.

Richtet sich an alle Studiengänge
Zeit: montags 17-20 Uhr
Ort: Raum 201, Marienstr. 1b
Beginn: Montag, den 11. April 2005

Erörterungen zu den „Flüchtigen Symbolen“.

Mittelpunkt der theoretischen und künstlerischen Arbeit an den „Flüchtigen Symbolen“ ist das Auffinden von Spannungsfeldern zwischen Ruhe und Bewegung, zwischen Stillstand und Raserei, zwischen Stagnation und Revolution. Dieser Zwitterzustand, der jederzeit in die eine oder andere Richtung ausbrechen kann, bildet sich auf inhaltlicher wie auch formaler Ebene aus – oder auf beiden zugleich. In der außerkünstlerischen Wirklichkeit sind die Gefangenenfotos des US-Militärs aus dem Irak Beispiele für „Standby´s“ mit faktisch flüchtigem und politisch hoch brisantem Charakter – die das Filmmaterial belichteten und die Besetzung eines Landes fixiert haben.

Die Beweglichkeit des ästhetischen Materials beginnt mit der Deutung eines Zeichens oder Symbols. Es gibt keine Formen ohne Bedeutungen und keine Kunst ohne öffentliches Interesse an ihren Aussagen. Der Begriff des Symbols dient hier auch dazu, die künstlerischen Äußerungen aus einer bloß formalen Zuwendung zu entlassen, er soll die Teilnehmer des Seminar/Kurses dazu veranlassen, nach relevanten zeitgenössischen Themen zu fahnden, welche die Ambivalenz der Veränderung in sich tragen.

Was die Beweglichkeit der bildnerischen Mittel gegenüber ihrer Dauerhaftigkeit und das Beharrungsvermögen der Zeitmedien betrifft, so gehört es zum Plan dieser Lehrveranstaltung, eine möglichst große Vielfalt dieses zwittrigen Verhältnisses aufzuspüren. Dabei wird es wichtig sein, die bereits etablierten Künste wie kinetische Kunst, Performance Art, Körperkunst und inszenierte Fotografie auf ihre Tauglichkeit für unser Projekt zu untersuchen. Im Vordergrund steht aber der kreative Umgang mit neuen oder modifizierten Mitteln, also ein methodisches Konzept für den Ausdruck dessen, was Virilio als „rasenden Stillstand“ bezeichnet hat, um den Zustand unserer Zivilisation auszudrücken. Das Konzept der „flüchtigen Symbole“ beinhaltet also eine große Offenheit der Themen und Stile und soll gerade diese Vielfalt innerhalb eines Verfahrens untersuchen und ausdrücken.

Im Seminar werden anhand ausgewählter Texte die Problemlage und der Ist-Zustand aufgearbeitet. Die kunsthistorischen Fakten werden dabei nur selektiv und ergebnisorientiert behandelt. Zeitlich parallel über das Semester hinweg werden die Konzepte für die „flüchtigen Symbole“ entwickelt und kollektiv diskutiert. Dabei geht es nur verbal zu – die Bildideen werden dadurch einer rationalen Beurteilung ausgesetzt, indem sie begrifflich vorgelegt werden. Das Sprechen über Bilder, ihre Bedeutungen und Beweglichkeit, soll durch ihre Überantwortung an den Intellekt dazu führen, sie künstlerisch zu qualifizieren. Vor Beginn der Workshops werden die Konzepte unter Darstellung der Ziele, des Themas, der Methoden und Mittel schriftlich dargelegt.

Der Workshop mit Angela Hausheer dient einerseits der Umsetzung der entwickelten Ideen, wobei „Umsetzung“ die kreative und konkrete Weiterentwicklung der gedanklichen Konzepte meint. Ob man sich ein Konzept ein fotografisches oder filmisches Standby, ein in den Raum gesetztes Tabeau vivant oder aber eine Standperformance als Umsetzungsziel setzt, im Workshop geht es darum, mit dem Erkenntnismedium „Körper“ die gedankliche Vorarbeit zu komplettieren, sie zu überprüfen, zu erweitern oder aber zu reduzieren, sie zu fokussieren. Der in den Konzepten angelegte Zustand des Veränderlichen, des Oszillierens, Vibrierens usw. ist eine Chance, im Prozess der Umsetzung das Zittern der Leere aufsteigen zu lassen, diese Vibrationen zu ertragen und zum Thema zu machen, bis sich daraus Gestalt ergibt mit dem Ziel in der Zeit zu sein. Neben der konkreten Umsetzungsarbeit werden wir davor, dazwischen und danach ein Performance-Training machen, das aus Körper-, Wahrnehmungs- und Konzentrationsübungen besteht.

Seminarplan

11. April: Einführung
18. April: Die Welt der Zeichen
25. April: Tableau vivant
02. Mai: PerformanceArt
09. Mai: Gesten
16. Mai: Pfingsten
23. Mai: Film und Bild
30. Mai: Body Art / Körperkunst
06. Juni: Standby (mod. tableaux vivants)
13. Juni: gestische Fotografie/Malerei .Abgabe Konzepte
17. Juni: 14 Uhr Konzepte für Workshop
18./19. Juni: Workshop
25./26. Juni: Workshop
27. Juni: Erholung vom Workshop
04. Juli: Vorbereitung Präsentation
14. Juli: Rundgang

Leistungen der Seminarteilnehmer:
aktive Teilnahme am Seminar
Referat
Seminartagebuch (Abgabe 29. Juli)
Konzept zum „Standby“ (Abgabe 13.Juni)
Teilnahme an zwei Wochenend-Workshops und Präsentation der Ergebnisse zum Rundgang.

Für die Öffentlichkeit: Aus dem Seminar „Flüchtige Symbole“ (Prof. Dr. Olaf Weber) und dem gleichnamigen Workshop (Angela Hausheer) sind Stand-Performances hervorgegangen, die u.a. den immanenten Widerspruch des „Rasenden Stillstandes“ (Paul Virilio) verkörpern wollen. Diese handlungsarmen Aktionen, die auf moderne Weise die zu Goethes Zeiten üblichen „Tableaux vivants“ aufgreifen, werden während der Eröffnungsfeier des Rundganges dargeboten.

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