Wachstum – wohin? (1999)

WACHSTUM – WOHIN?

Neulich wurde eine Studie über das Hotelwesen in Weimar bekannt. Danach gibt es schon heute doppelt soviel Übernachtungsmöglichkeiten in der Stadt, wie normalerweise trotz der Anziehungskraft von Goethe, Schiller, sowie anderer Prominenter und Attraktionen gebraucht würden. Die Schlußfolgerung der Hoteliers heißt: Bürgermeister schlafe nicht, sondern schaffe Touristen her, die in unseren Betten schlafen. Also: Mehr, mehr, mehr. noch mehr!

Sobald aber mehr Touristen kommen, wird die Hotelkapazität automatisch weiter gesteigert und es stehen nächstes Jahr wieder Betten leer. Nicht schwer zu erraten, wie es dann wieder heißt: Bürgermeister schaff mehr Touristen her. Das ist der Markt.

Schon heute aber sind bestimmte Kapazitäten ausgelastet. Das Goethehaus schließt seine Türen, sobald die Zahl von 500 Besuchern pro Tag erreicht ist. Wenn man auch an anderer Stelle noch mehr Besucher reinstopfen könnte – mit der Attraktivität des Goethehauses kann nichts konkurrieren. Die Kapazitäten sind begrenzt, die Straßen, Bürgersteige, Parkplätze, die Bewohner dieser Stadt vertragen nur eine bestimmte Menge dieser Spezies Mensch, der sich Tourist nennt.

Wachstum ist endlich. Das hat der Club of Rom schon vor 30 Jahren festgestellt. Wir müssen die Grenzen des Wachstums anerkennen. Anstatt uns von den Interessen einer Wirtschaftsbranche immer weiter treiben zu lassen, sollten wir uns fragen: Wieviel Wachstum wollen wir? Wieviel Tourismus und wieviel Verkehr kann Weimar und können die Weimarer verkraften? Wird es uns vielleicht besser gehen, wenn wir das Wachstum verlangsamen oder begrenzen?

Die Grünen wollen, daß in Weimar eine Debatte darüber geführt wird, welche quantitativen Grenzen und welche qualitativen Ziele wir uns selbst setzen. Welche Maße und Proportionen braucht die Stadt? In dieser notwendigen Debatte ist das Hotelwesen nur ein Beispiel. Es geht darum, den Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft wieder herzustellen. Politik verstehen wir nämlich als demokratisch legitimierte Macht, welche die Interessen der Bevölkerungsmehrheit gegen die partikularen Interessen einzelner, aber mächtiger Gruppen schützt.

14.01.99

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