Erst mal tief durchatmen – zu Daniel Burens Entwurf für den Rollplatz
Moderne Kunst ist nicht immer nur hübsch und fein – vielleicht, weil unsere Welt nicht so gut ist oder weil die Glitzerwelten der Werbung schon genug Hübschheit und Glanz verbreiten. Wenn Weimar nicht in der Tradition verstauben will, müssen wir den provokanten Charakter der Moderne aushalten – nur an ein paar Stellen. Was mich an der Diskussion um den Buren-Entwurf für den Rollplatz stört, sind die Vorurteile, an denen teilweise der Hang zum Althergebrachten, teils aber auch die unzureichende Informationen der Kulturstadt- Macher Schuld hat.
Der Rollplatz wird kein üblicher Parkplatz mehr sein – das ist längst vom Stadtrat beschlossene Sache. Fragt sich nur, ob darauf künftig ein Gemüsemarkt stattfindet, ein lieblicher Brunnen sprudelt, eine Skateboard-Anlage installiert wird, Bäume wachsen oder eben Burens Stelen stehen. Ich bekenne mich dazu, daß angesichts des grünen Goetheplatzes und Grabens am Roliplatz der modernen Kunst eine Chance gegeben wird. Doch ist das Konzept von Daniel Buren dafür geeignet?
Es sind doch zwei Szenarien möglich. Einerseits wäre es vorstellbar, daß hässliche graue Betonpfeiler mit dem Charme von Bunkern oder Panzersperren (manche befürchten auch Nazi- Architektur) jede empfindsame Seele vom Rollplatz vertreiben. Andererseits könnten merkwürdige Stehlen mit raffinierten Verschattungen, Bemalungen und Beleuchtungen einen künstlerischen Impuls aussenden, so dass von diesem Platz eine magische Anziehungskraft ausgeht. Dann würde er viel lebendiger werden, als er heute ist. Natürlich ist nur das zweite Szenarium akzeptabel, doch welches ist wahrscheinlich?
Das sollten wir nur beurteilen, wenn wir mehr Informationen haben. Ich begrüße zur Stärkung unserer Urteilskraft deshalb die nun anberaumten Diskussionen in der nächsten Woche und möchte Bernd Kauffmann und Daniel Buren bitten, uns ganz genau (möglichst mittels Videos und Computersimulation) zu erzählen, was auf dem Rollplatz passieren wird. Ich befürworte die künstlerische Freiheit des Intendanten, doch was an Kulturstadtprojekten über 1999 hinausreicht und im öffentlichen Raum gegenständlich präsent bleibt, muß die Akzeptanz von möglichst vielen Bürgern der Stadt erringen. Dabei geht es nicht nur um den viel strapazierten Demokratiebegriff, sondern auch darum, dass das dialogische Prinzip und der heilsame provokante Charakter von Buren‘s Kunst erst durch eine Bereitschaft zum Zuhören und Zusehen zur Wirkung kommen kann.
Prof. Dr. Olaf Weber
Aus: Thüringer Allgemeine vom 9.1.98