Der Rollplatz kann nicht stehen bleiben (1998)

Leserbrief, 3.3. 1998
Der Rollplatz kann nicht stehen bleiben.

Die große Aufregung hat sich gelegt; ist auch Erkenntnis gewachsen? – Wahrscheinlich nicht. In der Diskussion um das Buren-Projekt ist fast alles schief gelaufen, was schief laufen kann.
Ich will nur drei Schwachstellen der Diskussion benennen.

Erstens fehlt ein gesamtstädtisches Konzept für die Kunst im öffentlichen Raum. Zweitens fehlten Buren und Kauffmann eine kunstpädagogische Strategie, wahrscheinlich überhaupt die Einsicht dafür, daß eine solche angesichts der Unerfahrenheit der meisten Weimarer (wie der meisten Ostdeutschen) im Umgang mit moderner Kunst überhaupt notwendig sei. Statt etwas vor die Nase zu setzen hätte man aber helfen und hinführen müssen.

Drittens ist die so dringend nötige Diskussion bis auf wenige Ausnahmen auf einem so kümmerlichen Niveau initiiert worden, daß man für die Kulturstadt Weimar wirklich fürchten muß. Zu kleinlich und zu egoistisch waren viele Meinungen und Zuschriften, als daß sie hätten beitragen können, ein den Geist Weimars bestärkendes und zukunftsweisendes Kunstprojekt auf den Weg zu bringen. Wo ruhten die vielen Künstler, Kunsthistoriker, Kulturwissenschaftler Weimars, wo schliefen die Kunstpreisträger dieser Stadt, als die öffentliche Debatte in Parkplatz- und Standortfragen zu verkommen drohte. Auch in ästhetischen Fragen gibt es Spezialisten, die sich gegenüber anderen durch mehr Erfahrungen und ein präziseres Vorstellungsvermögen auszeichnen. Wir brauchen eine breite Öffentlichkeit zu Fragen der Stadtgestaltung und Kunst, aber wir brauchen dabei auch die Meinungsführerschaft derjenigen, die in ästhetischen Fragen etwas mehr Kompetenz besitzen. Wohin sind sie abgetaucht?

Ich möchte alle Parteien im Stadtrat dazu aufrufen, sich mit jeweils befreundeten Kunstsachverständigen zu beraten, damit eine wirklich qualifizierte Entscheidung getroffen werden kann. Wir können uns hierbei keine banale Debatte, keinen Populismus oder Fraktionszwang leisten. In freue mich darüber, daß meine Partei diese Diskussion mit großem Ernst und in den Personen von Philipp Fuhrmann (Pro) und Gretel Hecht (Contra) sehr kontrovers führt. Ich bin der Meinung, daß wir das Buren-Projekt realisieren sollten. Meine Befürwortung resultiert nicht daraus, daß ich ein besonderer Verehrer der sogenannten konkreten (geometrischen) Kunst wäre, sondern daraus, daß hier das reale Projekt eines großen europäischen Künstlers vorliegt, für das es die dankenswerte Initiative von Bernd Kauffmann, aber keine Alternative gibt.

Wer sich zu dieser Kunstrichtung informieren will: Das „Forum Konkrete Kunst“ ist bis zum Juni im Kulturhof zum Güldenen Krönbacken (Michaelisstr. 10) in Erfurt zu sehen.

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