Bruno Flierls 70. Geburtstag (1997)

Olaf Weber
Bruno Flierl 70. Beitrag zum Geburtstagsjubiläum am 02.02.1997

Ich bin nicht so gut vorbereitet, wie meine Vorredner, aber, lieber Bruno, das kennst Du ja aus unserer gemeinsamen Zeit an der Bauakademie.

Ich hatte in meinem Leben nur drei Chefs. Der eine war Bernd Grönwald und die beiden anderen, das waren Bruno Flierl und Lucius Burckhardt. Und diese beiden waren so schön widersprüchlich, daß ich darüber gern etwas sagen möchte. Bruno Flierl kenne ich seit 1970. Damals war ich gerade mit dem Architekturstudium fertig. Und damals war nach der Hochschulreform das Forschungsstudium gegründet worden, eine Form der Weiterbildung, die zur Promotion führte. Es gab zu dieser Zeit einen Modernisierungsschub in der Wissenschaft der DDR und wir stürzten uns gleich auf Kommunikationstheorie, Kybernetik, Systemtheorie und Semiotik. Das gab natürlich Probleme, auch Schwierigkeiten mit traditionellen Wissenschaftsauffassungen, auch und gerade bei uns in Weimar.
Es gab nicht nur Streit, ob Architektur denn Kunst sei oder baulich-räumliche Umwelt, die auch künstlerisch gestaltbar zu begreifen sei, sondern auch über das Wissenschaftsinstrumentarium. Auf der einen Seite stand die traditionelle Ästhetik, auf der anderen diese neuen Wissenschaften. Das war damals eine interessante Zeit, wir haben uns voller Enthusiasmus auf diese neuen Möglichkeiten gestürzt und Bruno war derjenige, der das massiv unterstütz hat. Wir – das waren Gerd Zimmermann, Friedrich Rogge und ich – hätten diese Forschung damals in Weimar nicht so zu Ende führen können, wenn wir diesen „Zentralismus“ aus Berlin nicht gehabt hätten. Manchmal ist also Zentralismus auch gut. Die Bauakademie war in Gestalt von Bruno Flierl der Auftraggeber für diese Forschung und hat durch diese Mentorschaft natürlich etwas bewirken können, wofür wir damals sehr dankbar waren.
Andererseits hat Bruno auch dafür gesorgt, daß unsere Studenten nicht abheben konnten, nicht im Elfenbeinturm verschwanden, sondern immer realitäts- und gesellschaftsbezogen blieben. Damals haben wir gelernt, daß wir nichts mehr denken, schreiben und veröffentlichen wollen, was nicht wirklichkeitsveränderndes Potential enthält. Und so haben wir es dann auch betrieben. Ich will das nicht weiter ausführen. Es geht mir nur um Brunos Rolle als Mentor und später als unmittelbarer „Vorgesetzter“ der Mini-Außenstelle der Bauakademie.

Dann kam die Wende. Und nach der Wende fragten wir uns auch in Weimar, was sollten wir jetzt anders machen, auch an der Hochschule. Und dann kam natürlich sehr schnell die Idee, daß wir die Tradition einer künstlerischen und gestalterischen Ausbildung im Geist des Bauhauses wieder aufnehmen könnten. Ich wurde damals vom Senat der Hochschule beauftragt, dafür ein Konzept zu entwickeln. In diesem Konzept haben wir ein integratives Studium vorgeschlagen, durch das die Unterschiede zwischen freier und angewandter Kunst in gewisser Weise aufgehoben werden sollte. Kunst, Design und Architektur sollten trotz aller Unterschiede zusammengehören. Vor allem aber sollten sich beide kulturellen Erfahrungen aus Ost und West in einem kreativen Impuls vereinigen. Dieses Konzept haben wir vorgelegt. Aber irgendwann war ein Punkt erreicht, an dem wir nicht mehr weiterkamen. Schließlich waren wir noch nicht evaluiert, wir hatten noch kein Vertrauen. Wir wußten, es muß jemand aus dem Westen her, der die Sache vorantreibt. Aus der Fachliteratur kannte ich Lucius Burckhardt als Querdenker, der bereit wäre, nicht nur ausgetretene Pfade zu beschreiten. So bin ich nach Kassel gefahren und habe mit Lucius Burckhardt gesprochen, ob er nicht diese Aufgabe übernehmen will. Er war ganz schnell dazu bereit. Und so ist er als Gründungsdekan nach Weimar gekommen. Leider war danach von Partnerschaft keine Rede mehr. Ich muß das so deutlich sagen. Er hat diese politische Aufgabe der Gründung einer solchen Fakultät in den neuen Bundesländern überhaupt gar nicht begriffen. Letztlich kam nur ein Implantat dessen heraus, was er schon in Saarbrücken praktiziert hatte. Ich finde das sehr schade.

Schlußfolgerungen? Eigentlich keine, bemerkenswert aber: man kann sich irren. Derjenige, den ich als Partner gesucht hatte, hat sich sehr schnell als ein mir fremder Chef erwiesen. Die Beziehung zu ihm war ein Obrigkeitsverhältnis. Und der andere, Bruno Flierl, der eigentlich mein Chef gewesen war, hatte sich ganz schnell erwiesen als ein wirklicher Partner und Freund. Ja das war mir das Wichtigste hier zu sagen.

Bruno Flierl 70. Beitrag zum Geburtstagsjubiläum am 02.02.1997
Hrsg. Stadtbüro Hunger, Berlin. S. 24,25

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert