EIGENTUM VERPFLICHTET?
Im freien Fall der Fassaden an der Ackerwand (ehem. Russische Gesandtschaft, zuletzt Schule) kommt das ganze Dilemma zum Ausdruck, das entsteht, wenn die Interessen eines Investors im Widerspruch zur Erhaltung historischer Substanz stehen. Eigentum verpflichtet, so hübsch hört man das manchmal. Doch allzu oft wird die Öffentlichkeit arg getäuscht. Das Schicksal des denkmalgeschützten Gebäudes war bereits mit der Entscheidung besiegelt, ein Hotel darin einzurichten. Die innere Raumstruktur passte nämlich nicht zu einer Hotelfunktion – also musste das Haus „entkernt“ werden. Der nun erfolgte Abriss der verbliebenen Außenhülle vollendet den Frevel nur, ist aber wenigstens konsequent. Nun kann die äussere Hülle uns nicht mehr vorlügen, es wäre ein Denkmal erhalten geblieben. Es ist einem wirtschaftlichen Kalkül geopfert worden.
Der Eigentümer ist eine Hotelkette, doch gehörte es eigentlich uns allen, denn es gehörte zu Weimar. Ich spreche nicht vom „Volkseigentum“, sondern vom Bild der Stadt, von seiner Geschichte, die auch in ihren baulichen Hinterlassenschaften uns allen und den künftigen Generationen gehört. Wenn ein neuer Eigentümer der Meinung ist, etwas von dieser Geschichte könnte weg, so muss er öffentlich darüber verhandeln. Das jedenfalls sollten die „Freunde der Grünen Schlange“ immer wieder einfordern und dabei weit über die Möglichkeiten der dürftigen Baugesetzgebung und das Unverständnis einiger Angestellter in der Bauverwaltung hinausgehen. Ein Baudenkmal vernichten – das darf es in Weimar nicht mehr geben
Prof. Dr. Olaf Weber
Weimarer Wochenblatt 18.12.96,
Thüringer Landeszeitung 16.12.96,
Thüringer Allgemeine 14.12.96