Graffiti – wie schlimm?

In Weimar ist die Polizei acht Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren auf die Spur gekommen, die Graffitis an Mauern, Bahn und Busse gesprayt hatten.

Endlich, so hört man, sind diese Kriminellen überführt. Doch ich freue mich darüber nur teilweise. Zum einen fände ich es gut, wenn sich die Aufmenksamkeit der Polizei mehr den gewalttätigen Jugendlichen zuwenden würde als den vergleichsweise harmlosen Sprayern. Aber leider hat das Eigentum und seine Beschädigung in unserem Rechtssystem einen unvergleichlich höheren Stellenwert als die Verletzlichkeit der Person.

Zum anderen muß Graffiti als eine Form der Subkultur anerkannt werden – ob uns das paßt oder nicht. Das anerkennen heißt aber auch unterscheiden. Wer hat sich nicht schon mal über die blöden „Kraksel“ auf der Polsterung von Bussen oder an frisch renovierten, denkmalgeschützten Häusern geärgert. Zwar hat auch dieser Frust seine Ursachen, aber seine Folgen sind unangenehm. An häßlichen grauen Betonwänden finde ich aber die unangepaßten und bunten Bilder erfrischend, dort könnte man einen Protest gegen die geschleckte Warenwelt unserer Persilgesellschaft vermuten und akzeptieren. Leider sind aber die meisten Graffiti heute so langweilig wie das, wogegen man ansprayen will. So banal waren sie aber nicht immer. Graffiti als Kunstform hatte zum Beispiel seinen Meister in Harald Nägeli, dem „Sprayer von Zürich“ gefunden, der erst steckbrieflich verfolgt, dann ein gefeierter Künstler geworden war.

Kulturdirektion und Jugendamt sollten dem Vorschlag von Herrn Mäder folgen und geeignete Flächen für die Jugendlichen finden – als Beitrag zur Entkriminalisierung dieser Szene. Ich würde mich auch freuen, wenn die nächste Sonderkommission der Polizei zu solchen Zwecken wie der Bekämpfung der Kriminalität auf Schulhöfen und Straßen, der Wirtschaftskriminalität oder den Ökoskandalen gebildet würde.

Prof. Dr. Olaf Weber
11.10.1996