Olaf Weber
„Kunst ist nicht demokratisch“
„Kunst ist nicht demokratisch“ – diese Worte des Intendanten der Europäischen Kulturstadt 1993 (TA vom 25. Mai 1996) sind so sinnlos wie der Satz „Bratwürste sind diktatorisch“. Ich habe von keinem Künstler gehört, der über die Farben auf seiner Leinwand hat abstimmen lassen. Trotzdem hat ein Kulturstadtjahr viel mit Demokratie zu tun. Das sollte mindestens dann der Fall sein, wenn öffentliche Gelder für Kultur (nicht nur für Kunst) eingesetzt werden. Politische Entscheidungen für die Kulturstadt Weimar 99 waren und sind zum Beispiel: Wieviel wird für Hochkultur und wieviel für Soziokultur ausgegeben, wie wird das Umland einbezogen, welche thematische Orientierung wird gewählt, welche Entscheidungsstruktur sollte aufgebaut werden, wer sollte Intendant werden. Für diese Entscheidungen gab es nicht zuviel, sondern zuwenig demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten. Gerade in den neuen Bundesländern schmerzen solche Erfahrungen, weil viele Bürger den Eindruck haben, daß die Kulturförderung direkt von den DDR-Kulturfunktionären in die Hände der Banken und anderer Sponsoren gewandert ist – an den demokratischen Gremien vorbei.
Der Rahmen für Kunstförderung sollte einen demokratischen Inhalt haben, was dann ein Intendant oder ein Künstler im Strom des Lebens oder in der Einsamkeit seines Ateliers aus den ihm gebotenen Möglichkeiten macht, ist seine sehr individuelle Sache, auf welche die Öffentlichkeit keinen Zugriff hat, aber darauf gespannt sein kann.
Veröff. in: Thüringer Allgemenen vom 25. Mai 1996, Seite 4