Leben und Tod des IKD – Die Geschichte eines Versuchs zur Selbstbestimmung (1992)

Leben und Tod des IKD
Die Geschichte eines Versuches zur Selbstbestimmung

Null – Phase: Kunst?

Nachdem die Kunstausbildung an der HAB im Jahr 1951 aufgegeben wurde, blieb die „Gestaltungslehre“ oder die „bildkünstlerische Lehre“ für Architekten, später wurden „experimentell – künstlerische Werkstätten“ eingerichtet, die aber für die Lehre wenig wirksam werden konnten. Nach der Wende zunächst sehr traditionelle Annäherungen an das Thema: als „architekturbezogene Kunst“. Anfang 1991 Bildung einer Arbeitsgruppe des Fakultätsrates Architektur, um eine zukunftsweisende Konzeption zu erarbeiten. Am 13. Mai 1991 billigt der Senat diese „Konzeption für eine Fakultät Kunst an der HAB“ und beschließt, zum 01.09.1991 ein „Institut für Kunst und Design“ (IKD) an der Fakultät Architektur zu gründen.

1. Phase: Der Anfang in Weimar

Am 2. September 1991 (Montag) wird das IKD mit einer Feierstunde auf grüner Wiese eröffnet. Ihm gehören neben einem Theoretiker als Leiter vier Designer und 3 technische Mitarbeiter an. Aufgaben des IKD sind, die künstlerische Ausbildung der Architekturstudenten durch zusätzliche Angebote zu verbessern und (zweitens) die für Herbst 1992 vorgesehene Gründung einer Fakultät mit künstlerischen Studiengängen konzeptionell und organisatorisch vorzubereiten.
Zum ersten Teil der Aufgaben gehören die Vorbereitung des Einführungskurses, eine Vertiefungsreihe für das 5. Studienjahr, mehrere fakultative Kurse, künstlerisch orientierte Semesterbelege und Diplomarbeiten u. a.
Der zweite Teil (die Installation einer neuen Fakultät) gestaltet sich schwierig. Am 28.09.1991 lädt der Rektor zu einem Gründungsbeirat ein. Das IKD hat ein
Diskussionspapier erstellt, das breite Zustimmung findet. Doch eine Reihe wichtiger Männer und Frauen sind nicht gekommen. Es hat sich herumgesprochen, dass es zwischen Rektor und dem Thüringer Ministerium für Wissenschaft und Kunst Unstimmigkeiten gibt. Dem IKD droht, zwischen die Mühlsteine zu geraten.

Im Dezember 1992 gelingt es uns, einen direkten Draht zum Ministerium in Erfurt zu finden. In einem Gespräch mit Minister und Staatssekretär werben wir für unsere Konzeption. Doch die „Darmstädter Kommission“, die damit beauftragt wurde, ein HAB – Gesamtkonzept zu erstellen, tagt noch und hat der Fakultät „Kunst und Kulturwissenschaften“ lediglich eine Service-Rolle für andere Fakultäten, zunächst ohne eigenen Studiengang, verordnet. In Briefen an den Vorsitzenden dieser Kommission versuchen wir, den Strukturplan für die HAB, im Sinne einer deutlich definierten Kunst- und Designausbildung in letzter Minute zu korrigieren – vergebens. Wir arbeiten aber an unserer eigenen Konzeption weiter und veröffentlichen im Januar 1992 (überarbeitet im April 1992) das „Weimarer Modell“, das den Vorschlag einer unverwechselbaren, der Tradition und der Utopie gleichsam verpflichteten Fakultät der freien und angewandten Künste enthält.

2. Phase: Kassel und Weimar zusammen.

Anfang des Jahres 1992 war klar: Es bedurfte eines Kraftaktes, um die Vision einer künstlerischen Fakultät mit eigenem Studiengang zu realisieren. Wir riefen im Februar 1992 Professor Lucius Burckhardt in Kassel an, dessen wissenschaftliche und publizistische Verdienste wir aus der Ferne kannten, schilderten ihm die Arbeit des IKD, zeigten ihm unsere Konzepte und baten ihn, uns zu helfen. Er sagte zu und wurde, da das Ministerium aus dem Westen zuverlässige Leute brauchte, zum Gründungsdekan berufen. Er wiederum ernannte vier westdeutsche Professoren als Beiratsmitglieder, denen sich zwei HAB–Vertreter zugesellten. Erstaunt waren wir, als bei der ersten Sitzung sich herausstellte, dass die Beiratsmitglieder in dem Glauben waren, eine Gründung „auf grüner Wiese“ vorzunehmen. Sie waren nicht informiert darüber, dass es bereits das IKD, ab 1. Mai 1992 sogar laut Ministererlaß die neue Fakultät (allerdings ohne Studenten), gab. Statt unsere Vorarbeit als guten Dienst anzunehmen, merkten wir, dass unsere Nachdenklichkeit zunehmend als Hindernisse betrachtet wurden, um zu einem schnellen, pragmatischen Ergebnis zu kommen. Mit der Notwendigkeit, die Evaluation der Mitarbeiter des IKD vorzunehmen, sah sich die Kommission endgültig überstrapaziert, bewertete die C-Stellen-Bewerber letztlich aber doch widerstrebend. Gemeinsam war den westdeutschen und den ostdeutschen Mitgliedern des Beirates die Ablehnung der Darmstädter Strukturempfehlung. So war eine Zeit lang zu hoffen, dass wir uns dialogisch fortentwickeln würden zu einem gemeinsamen Ergebnis.

Der Senat hatte im April den amtierenden Leiter des IKD auch mit der kommissarischen Leitung der neuen Fakultät betraut. So bestand für einen Moment auch administrativ die Chance, dass in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Weimar und Kassel eine optimale Lösung für die neue Fakultät vorbereitet werden könnte.

3. Phase: Von Kassel regiert.

Im Juli 1992 weigerte sich der Gründungsdekan, zeitgleich mit den anderen Fakultäten die Mittelbaustellen des IKD auszuschreiben. In diesem Falle mussten sich diese Mitarbeiter an die Fakultät Architektur bewerben und es bestand die Gefahr, dass das IKD als Keimzelle der neuen Fakultät abstirbt. Mein energischer Protest in Briefform beförderte die vorhandenen Konflikte an die Oberfläche. Da ich als Leiter des IKD nicht mehr bereit war, im Spagat alle angehäuften Widersprüche auf mich zu laden und der Gründungsdekan, wie sich nun erst herausstellte, vom Ministerium auch mit der vollen Kompetenz und Verantwortung für die laufenden Geschäfte der neuen Fakultät ausgestattet worden war, zog der Senat seinen Auftrag an mich zurück. Statt der „dualen“ Verantwortung übernahm der Gründungsdekan vom 14. September 1992 an die alleinige Leitung und setzte eine geschäftsführende Assistentin ein, die als „Brückenkopf“ in Weimar dienen soll. Durch die Machtanhäufung beim Gründungsdekan, sowie durch eine schleichende Entleerung von Aufgaben und Personen hat das IKD praktisch aufgehört zu existieren. Man kann nur noch seinen Exodus feststellen.

Nachwort

Der Weg des IKD war der von versuchter Selbstbestimmung über eine gewollte Mitbestimmung zu einer Art Fremdbestimmung. Das ist schade.
Niemand soll glauben, dass es dem Schreiber dieser Zeilen um irgendwelche persönliche Pfründe geht. Im Gegenteil, er hat mit seinem Engagement nur welche zu verlieren. Es geht um Inhalte. Wir hatten zum Beispiel vorgeschlagen, eine ganz enge Verbindung von Kunst und Design herzustellen: einen einheitlichen Studiengang der freien und angewandten Künste, in dem jeder Student seinen eigenen Weg finden und Tiefe und Zeitpunkt einer Spezialisierung selbst bestimmen kann. So etwas gibt es in Deutschland noch nicht. Wir sind weiterhin dafür, ein zukunftsweisendes Manifest zu erarbeiten, damit die Wiederöffnung der Kunst- und Designerausbildung in Weimar mit einem Bekenntnis zur Zukunft und einem Innovationsschub einhergeht. Wir sind weiterhin dafür, dass die Dauer-Professoren verpflichtet werden, sich in Weimar niederzulassen, damit die Studenten etwas von ihnen haben und darüber hinaus die ganze Region. Im nächsten Jahrhundert werden bei aller transkontinentalen Mobilität die Regionen im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen für Weimar ein ganz spezifisches, fortschrittliches Konzept, dass zugleich der Tradition verpflichtet ist. Es geht also um etwas noch Allgemeineres, darum nämlich, dass im Kleinen nicht die gleichen Fehler gemacht werden wie in der großen Politik. Dazu würde gehören, dass die Chancen der Wiedervereinigung und das Gebot des Nachdenkens auch dazu genutzt werden, längst überfällige Veränderungen im Westen nachzuholen – z. B. eine Hochschulreform.

Wir hatten das IKD jedenfalls nicht zu dem Zwecke gegründet, Ost-Altes durch West-Altes zu ersetzen. Der weitergehende (und hoffentlich nie abgeschlossene) Erneuerungsprozess der HAB wird durch eine Selbstisolation der neuen Fakultät behindert. Deren Gründung sollte durch Offenheit, Dialogbereitschaft und praktische Kooperation gekennzeichnet sein.

Nachsatz: Interessenten können (solange der Vorrat reicht) ein Exemplar des „Weimarer Modells“ am IKD Hauptgebäude, Raum 32) erhalten.

Dr. Olaf Weber

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