Einführung zur Ausstellung von Michael Lenhardt im Kulturbund Weimar (1980)

Olaf Weber
Einführung zur Ausstellung von Michael Lenhardt im Kulturbund Weimar 1980

Meine Damen und Herren!
Ich freue mich, Sie zur Eröffnung der Ausstellung von Michael Lenhardt im Rahmen der kleinen Galerie des Kulturbundes Weimar begrüßen zu können. Sie kommen in den Genuß eines wahrhaft synästhetischen Erlebnisses: Wie Sie sehen, hängen nicht nur Bilder an der Wand, es spielt auch Musik eine gewisse Rolle. Wir haben aber keine musikalisch- visuelle Matinee geplant. Die gleichzeitige optische und akkustische Wahrnehmung, bei der die Musik aber nur den sinnlichen Background bildet, hat nur deshalb ihren Sinn, weil der Maler sie uns selbst vorlebt. Lenhardt hat ein sehr enges aktives Verhältnis zur Musik, und er produziert auch so. Mann kann nicht in sein Atelier kommen um über Kunstfragen zu räsonieren, ohne daß dabei auch ein Tonband mit Popmusik läuft. Wir rezipieren hier also Lenhardts Bilder in dem gleichen akkustischen Medium, in dem sie produziert werden. Das ist die Berechtigung für die Anwesenheit von Musik. Es gibt auch Leute, die in den Bildern selbst musikalische Momente entdecken. Ich selbst kann das nicht. Für mich sind sie gerade nicht musikalisch, sondern extrem bildhaft.

Diese Ausstellung ist nach kleineren Expositionen in Weimar, Leipzig und Berlin die erste große Ausstellung von Michael Lenhardt. Sie umfaßt Bilder aus 10-jährigem Schaffen. Es ist erstaunlich, welche Einheit und welche Entwicklung gleichzeitig darin enthalten sind. Ich weiß nicht, ob es Ihnen beim Betreten dieses Saales genauso gegangen ist wie mir.

Als ich gestern hier das erste Mal alle Bilder versammelt sah, war ich beeindruckt von der Geschlossen­heit und zugleich von der Individualität jedes einzelnen Bildes. Ich hatte nicht geglaubt, daß sich die doch relativ kleinen Bilder in diesem Raum so stark gegen die Tendenz zur Strukturbildung behaupten können. Ich glaube zu wissen, woran das liegt: An einer Konzeption über das „Bild“ in einem sehr prägnanten Sinne. Lenhardt will keine Leinwände bemalen, sondern er will Bilder fixieren, d.h. einprägsame Ikone, die einer Bildidee entsprechen. So viele Bilder, soviel Bildideen sind in dieser Ausstellung. Die Bildidee ist dabei schon im Anfangsstadium ihrer Ausprägung zugleich Inhalt und Form, sie schließt die Vorstellung von der Wahrnehmung und von den Assoziationen ein, die diese Wahrnehmung in Gang setzt. Bildideen malen ist das Gegenteil von Illustrieren. Lenhardt denkt beim Malen an den Betrachter, er verhält sich als Kommunikator, er will etwas über die Bühne bringen und dieses Etwas kann immer nur Innovation sein, etwas Neues auf inhaltlicher oder formaler Ebene. „Neu“ sein kann vieles: eine Idee, ein Sujet, ein Gefühl, eine Empfindung, eine Form, ein Thema, eine Aneignungsweise usw.. Der Maler muß sich hüten, auf allen Gebieten gleichzeitig neu zu sein.

Lenhardt dosiert die Innovation innerhalb der Grenzen unserer Wahrnehmungsfähikeit und unseres Einverständnisses. Er ist aber weit davon entfernt, ein Parasit der Form zu sein, der sich auf dem Formempfinden anderer ausruht. Er versucht hingegen immer die Balance zu halten zwischen Altem und Unbekannten, zwischen Innovation and Redundanz, zwischen der Befriedigung vorhandener und der Erweckung neuer Bedürfnisse und – um es kraß auezudrücken: zwischen Saturation und Erschrecken. Aber die Bilder erschrecken weder, noch verleiten sie zu selbstgefälligen, passiven Kunstgenuß. Widersprüche, mit denen jede moderne Kunst fertig werden muß.

Es ist, glaube ich, wieder der Begriff „Bildidee“, der als ikonische Einheit von Inhalt und Form die kommunikative Kraft zur Lösung dieser Widersprüche bereithält, vor allem, wenn sie sich mit Zeichen, Symbolen, Metaphern und rhetorischen Figuren durchsetzt.

Die Bildidee ist nicht verbal benennbar und die sprachliche Ambivalenz ihres Inhaltes entspricht der semantischen Vielschichtigkeit der Bilder. Lenhardt hat den Bildern deshalb auch keine Titel gegeben. Das Bild kommuniziert sich selbst und dort, wo Worte notwendig sind, hat er sie gleich in des Bild hineingemalt, sie werden immanenter Bestandteil der ikonischen Aussage.

Lenhardts Malerei ist sehr persönliche Kunst. Alle, auch allgemeinste Inhalte, sind bei ihm immer erlebte Inhalte, sind Beschreibungen subjektiver Situationen. Das ist das Moment, an dem Betrachter beim Zugang zu seinen Bildern am ehesten stolpern können. Wer die Bilder nicht zur Person Lehnhardts in Beziehung setzt, wird manches nicht verstehen oder als irrelevant empfinden. Aber gerade das ist wichtig, denn Kunst wird nur künstlerisch rezipiert, wenn im Wirken das Werden reproduziert wird, wenn wir nicht nur das Kunstwerk, sondern auch den Künstler in unser Bewußtsein einlassen.

Nun, in diesem Falle sind wir besonders auf die malerischen (und eben auch musikalischen) Äußerungen des Delinquenten angewiesen, daß ich hoffe, daß gerade diese Ausstellung zum besseren Verständnis Michael Lenhardts beitragen wird.

Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort zu den Bildern sagen. Mit langer Elle gemessen, können wir sie in zwei Gruppen einteilen: Porträts bzw. figürliche Darstellungen einerseits und Landschaften andrerseits. Während bei den figürlichen Darstellungen im Laufe der künstlerischen Entwicklung Lenhardts eine Tendenz vom forma­listisch-abstrakten zum realistisch-metaphorischen festzustellen ist, tendiert die Landschaftmalerei vom Natürlichen zum Künst­lichen, d.h. zur Architektur. Ich persönlich empfinde diese phantastischen Architekturlandschaften des studierten Architekten Lenhardt als sehr wichtig, bringen sie uns doch die Vielfalt und Ausdrucksfähigkeit gebauter Umwelt wenigstens als Surrogat von Bildkunst in unsere Typenwohnungen. Vielleicht ist er – ungewollt – gerade Architekt geblieben, indem er aus dem Architektenberuf ausschied.

Ich hoffe, daß Sie meine Einleitung nicht allzuweit von den Bildern weggebracht hat und wünsche Ihnen weiterhin viel anschauliches Vergnügen an dieser Ausstellung.

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