Schrecklicher Naher Osten? (2007)

Schrecklicher Naher Osten

In diesem Jahr konnte ich die Klezmer Musik beim Jiddish-Summer nicht recht genießen. Zwischen die lustigen und melancholischen Klänge mischten sich fremde Töne von Bomben und Raketen. Etwas Hässliches hatte sich an die schöne alte und doch so lebendige Musik geheftet, es war das Militär.

An dem Imageverlust Israels haben die westlichen Staaten wegen ihrer falsch verstandenen Unterstützung und Duldung einer auf Gewalt setzenden Außenpolitik des jüdischen Staates eine Mitverantwortung. Wir Deutschen sollten gerade wegen unserer historischen Schuld am Holocaust und unserer kriegerischen Vergangenheit die Solidarität anders definieren, als durch eine Billigung der israelischen Machtpolitik.

Israel ist unglaubwürdig, wenn es seine Existenzberechtigung durch diejenigen gefährdet sieht, deren Territorium es besetzt hält und dessen palästinensische Bevölkerung es mit dieser Okkupation terrorisiert. Israel hat eine Existenzberechtigung, die trotz der ‚Fehler bei seiner Gründung völlig unstrittig sein muss, doch verspielt es sein Ansehen durch eine unakzeptable Politik gegenüber seinen Nachbarn und deformiert sich dabei selbst durch eine Jahrzehnte lange Militarisierung seines gesamten öffentlichen Lebens.

Es ist logischer, die Palästinenser vor den israelischen Besatzern zu schützen, als Israel vor den terroristischen Folgen dieser Besetzung. Diejenigen, die im eigenen Land gegen die Besatzer kämpfen, sind ohnehin keine Terroristen, sondern der radikalisierte Teil einer leidenden Bevölkerung.

Die jüdische Landnahme von 1947/48, die über den Beschluss des Völkerbundes hinausging, hat die Welt inzwischen hingenommen, doch die Eroberungen von 1967 werden wohl nicht akzeptiert werden. Israel verteidigt gegenüber den Palästinensern nicht sein Existenzrecht, das nur von einigen Extremisten angezweifelt wird, sondern seine völkerrechtswidrigen Eroberungen.

Man muss das Militärische aber noch grundsätzlicher hinterfragen. In einer Zeit der totalen Ökonomisierung dieser Welt ist es bezeichnend , dass gerade der Krieg nicht ökonomisiert wird. ‚Wer aber auf fremdem Territorium einen Schaden anrichtet, der sollte für ihn zur Verantwortung gezogen werden. Das muss die Hisbolla wie die Hamas, die Israelis wie die Amerikaner betreffen. Krieg ist im 21. Jahrhundert völlig unakzeptabel. Es darf deshalb keinerlei Unterstützung geben für gleich welcher Art von Bomben-Experten: seien die ‚Bomben in den Kampfflugzeugen oder in den Rucksäcken.

Die Scharfmacher aller Farben und Länder sind sich zum Verwechseln ähnlich. Auch wenn sie moslemische, christliche oder jüdische Zeichen tragen, so dienen sie doch nur den Machtpolitikern, die die Völker aufeinander hetzen und in Wirklichkeit ein und derselben‚ Clique angehören. Ohne sich verschworen zu haben, bringen sie sich gegenseitig hervor und spielen sich gegenseitig in die Hände. Die Politik der Rechten ist immer ein Agieren für das Militär und die Gewalt und also gegen das eigene und fremde Volk. Die Unschuldigsten sind dabei die am meisten Gefährdeten, diejenigen aber, welche die größten Verwüstungen anrichten, nämlich die ‚Bomberpiloten, leben am sichersten.

Die Installation einer UNO-Friedenstruppe zielt jetzt darauf ab, das Schlimmste im Libanon zu verhindern, doch zementiert sie zugleich einen Status quo, das heißt einen Unrechtzustand im Nahen Osten, der nur Teil einer militärischen Option ist, aber keine politische Lösung enthält, also keinen Frieden bringt. Israel wird nicht friedlich leben können, wenn es sich nicht aus den Palästinensergebieten und dem syrischen Golan zurückzieht, die Politik der Stärke aufgibt und das Prinzip „Land gegen Frieden“ anerkennt. Es gibt aber nur Lippenbekenntnisse in diese Richtung, aber keine kraftvolle Friedensdiplomatie.

Im vorderen Orient ist etwas ganz anderes als die elende Machtpolitik nötig, es wäre Weisheit geboten, also nicht Zahn um Zahn, nicht Auge um Auge, sondern Versöhnung. Friedenspolitik müsste von dem Stärkeren, also von Israel und den USA, ausgehen. Doch das ist leider nicht zu erwarten, denn die Regierungen dieser Länder sind Geißel ihrer unhaltbaren Versprechungen nach trügerischem Wohlstand und Sicherheit geworden. Solche Versprechungen sind – wenn überhaupt – nur in einem national-egoistischem Partikularismus zu erfüllen, also als Machtpolitik gegen andere. Auch das schreckliche Streben der Mullahs im Iran nach Atomwaffen ist eine Folge der israelisch-amerikanischen atomaren Vorgaben.

Es rächt sich, dass mit dem Niedergang des Ostblockes nicht nur ein dogmatisches ideologisches System zugrunde gegangen ist, Sondern auch wirklich Linke und pazifistische Positionen geschwächt wurden, so dass es scheint, dass nur noch islamische Fundamentalisten einen Widerpart zum imperialen Kapitalismus bilden. Diese Deformation der antihegemonialen Opposition ist das eigentliche Dilemma unserer Zivilisation.

In den deutschen Medien herrscht ein unkritischer, eng begrenzter Gedankenbrei zum Nahen Osten. Eine solche Zurückhaltung der eintönigen Meinungsindustrie gegenüber dieser Konfliktmasse stützt nicht nur indirekt die antisemitische Haltung der politischen Rechten, die ein Teil des o.g. Problems ist, sondern verstellt auch den Blick auf die ungeheuren sozialen und ökologischen Probleme, die dringend einer Lösung bedürfen. Man muss sich fragen, wie lange es sich die Menschheit noch gefallen lässt, dass die mediale Öffentlichkeit den Focus auf die vom Militär inszenierten Probleme richtet.

Wir brauchen für den Nahen Osten eine völlig neue Diplomatie und sollten dort vor allem die nichtstaatliche jüdisch-moslemische Friedensbewegung unterstützen, die zwischen den Israelis und den Palästinensern Brücken zu schlagen versucht. Ein solcher Aufbau von gemordeten Vertrauen ist ungeheuer schwer, aber ohne Alternative. Es wäre auch ein großartiges Zeichen, wenn die jüdischen Organisationen in Deutschland sich klar und deutlich von der Militärdoktrin Israels distanzieren würden – wie auch die moslemischen Organisationen den islamistischen Terror verurteilt haben. Der großartige Daniel Barenboim macht es der Welt vor. Ich liebe deshalb sein west-östliches Orchester und kann es musikalisch und politisch genießen.

24.03.2007

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