Militär und Wahnsinn (2007)

Militär und Wahnsinn
Einige Argumente gegen das Militär und für einen globalen Pazifismus

1. Die Militärs rechtfertigen sich heute hauptsächlich mit der kollektiven Lüge, für die Landesverteidigung verantwortlich zu sein. Wenn sie sich aber auf die bloße Verteidigung verpflichten ließen, würden sie sich allesamt überflüssig machen. Die Militärs verteidigen also nur den ständig wachsenden Rüstungsetat, letztlich sich selber. Die alte, vor-zivilisatorische Funktion des Militärs, nämlich das Territorium eines Nationalstaates zu erweitern, ist letztmalig Israel 1967 mit dem Misserfolg einer 40-jährigen Besatzerpolitik in den Palästinensergebieten und auf dem syrischen Golan „gelungen“. Die Duldung dieser Landnahme durch die Westmächte hat den Waffenträgern bis hin zu den „Warlords“ ein bedenkliches Rechtfertigungsargument verschafft.

2. Auch im Kampf gegen den Terrorismus sind das Militär und der Krieg völlig ungeeignet. Es hat sich überall (wie auch in Tschetschenien) gezeigt, dass nach einigen Anfangserfolgen bald die alten Konflikte wieder hervortreten, zumal dann, wenn die militärische Denkweise der Vernichtung von „Schurken“ oder „Schurkenstaaten“ das öffentliche Leben beherrscht und die sozialen und ethnischen Deklassierungen nicht aufgehoben werden. Das Militär erschwert oder verhindert die Lösung politischer Konflikte, indem es den Glauben an seine martialische Abschreckung nährt und damit die Kraft der Diplomatie schwächt. Die militärische Einmischung in den politischen Zustand eines anderen Landes ist fast immer ein Scheinargument, das die wahren Kriegsziele verschleiert, diejenigen Diktatoren, die mit den Großmächten kooperierten, hatten nämlich nie etwas zu befürchten (vgl. die Regime in Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien). Ganz im Gegensatz zum missionarischen Militär werden die undemokratischen oder unsozialen Verhältnisse von den betroffenen Völkern am besten und nachhaltigsten selbst, also von innen heraus, korrigiert.

3. Im 21. Jahrhundert ist das Militär völlig atavistisch. Militär verträgt sich nicht mit den Menschenrechten und die Absicht ist blauäugig oder verlogen, jedenfalls überall gescheitert, diese mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Militär tötet nicht nur manchmal und aus Versehen unschuldige Zivilisten, sondern aus einer inneren Logik heraus. Bomben und Raketen sind terroristisch. Sie verbreiten Schrecken und sind immer ungenau und zwar hinsichtlich ihrer physischen Treffsicherheit wie vor allem in der Bewertung des Angriffszieles. Militär tötet immer auf Verdacht. Dieser Tötung geht keine Prüfung der individuellen Schuld des Opfers voraus. Im Gegensatz dazu ist es die Aufgabe von Polizei, die wahrscheinlich Schuldigen von den Unschuldigen zu trennen und erstere einer richterlichen Überprüfung und eventuellen Verurteilung und Bestrafung zuzuführen. Dagegen dienen die unschuldigen Opfer eines ungenauen Bombardements als erneute Rechtfertigung für die Gewalt der anderen Seite. Und im Krieg sind die feindlichen Soldaten selbstverständlich genauso unschuldig wie die eigenen Kameraden. Militär mordet also mit riesigem Aufwand (fast immer) nur Unschuldige, seien es Zivilisten oder gegnerische Soldaten. Man kann sogar sagen, dass es ein Zufall ist, wenn Militär einen Schuldigen trifft. Die sogenannten „gezielten Tötungen der israelischen Luftwaffe wollen ebenso wie der Vorschlag, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen, auf verhängnisvolle Weise den Unterschied zwischen Militär und Polizei verwischen.

4. In Friedenszeiten verschlingt das Militär ungeheure Mittel an natürlichen, humanen und wirtschaftlichen Resourcen, deren Verlust die sozialen und ökologischen Probleme verschärft. Auf diese Weise produziert das Militär nicht nur durch seine Tätigkeit, sondern auch durch seine Untätigkeit diejenigen Probleme, die es zu lösen vorgibt und doch nicht lösen kann. Es ist auch völlig unverständlich, aber auch bezeichnend, dass in einer Zeit der totalen Ökonomisierung des Lebens gerade die vom Militär angerichteten Schäden diesem nicht angerechnet werden. Es sollte aber der Grundsatz gelten, dass alle Kriegsschäden im fremden Lande dem Militär in Rechnung gestellt werden. Das müsste für die USA wie Israel, die Hisbolla wie den Hamas oder andere militärisch operierende Kräfte gelten.

5. Die scheinbar verfeindeten Militärs und Machtpolitiker sind in Wirklichkeit die Angehörigen ein und derselben Clique, sie spielen sich gegenseitig in die Hände oder bringen sich gegenseitig hervor, wie die Taliban, die Hisbolla oder der Hamas Produkte einer von den USA dominierten Machtpolitik sind. Die eigentliche Frontlinie liegt also nicht zwischen den „gegnerischen“ Armeen oder “asymetrischen“ Einheiten, sondern zwischen dem internationalen militärischen Komplex einerseits und den Zivilisten aller Länder andererseits.

6. Das Militär erhöht die internationalen Spannungen und verunsichert die eigene Bevölkerung, deren Leben immer weiter militarisiert wird (vgl. die verschiedenen Formen der Überwachung und Zensur). Auf diese Weise beschränkt das Militär auch die Verwirklichung der Menschenrechte im eigenen Land. Die Öffentliche Meinung ist zu einem mainstream zusammengeschmolzen, der kaum noch zuläßt, dass die Absurdität und Sinnlosigkeit des Militärs angeprangert wird. An der militärischen Gewalt sind neben den ehrgeizigen Generälen auch noch andere interessiert, vor allem die meist rechtsgerichteten Machtpolitiker, die Rüstungsindustrie und die profitorientierten Medien, die durch ihre Sensationsgier die Bereitschaft der Bevölkerung zu Einschränkungen ihrer Bürgerrechte, zur Aufrüstung und militärischen Abenteuern erhöhen.

7. Die Charta der UNO kann völlig ohne Militär durchgesetzt werden, Verstöße können diplomatisch und wirtschaftlich geahndet und gegen Gewalttäter sollte eine internationale Eingreiftruppe gebildet werden, die der UNO unterstellt ist und nach polizeilichen Prinzipien operiert, also unter Einhaltung der Menschenrechte arbeitet. Ein Ausstieg aus der Spirale der militärischen Deformation der Welt kann durch internationale Abrüstung natürlich nur Schritt für Schritt, aber doch vollständig erfolgen. Das Skandalöse aber ist, dass es seit Jahren seitens derer, die hoch gerüstet sind, keinerlei Abrüstungsinitiativen gibt. Der Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen schließt aber die bisher uneingelöste Verpflichtung der Großmächte zur atomaren Abrüstung ausdrücklich ein. Die geplanten US-Raketenstellungen in Polen und Tschechien widersprechen also einem Vertrag, dessen Einhaltung vom Iran unter Kriegsdrohung gefordert wird.

Pazifismus ist keine unerfüllbare Utopie, sondern das Gebot der Stunde. Aber wie das ökologische Thema mit 30 Jahren Verspätung nun endlich bei den Meinungsbildnern angekommen ist, so wird das pazifistische sicherlich noch länger in den Schubfächern verwahrt werden, denn daneben liegt sehr viel Geld.

03.03.2007 (unveröffentlicht)

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