Feudale Restauration oder ?
Zur „Enthüllungsfeier“ des Denkmals für Carl Alexander im Jahre 1907 war der ganze Hof erschienen, dazu viele honorige Gäste, die Creme der feudalen und bürgerlichen Gesellschaft. In 4 Jahren wäre Gelegenheit, für ein wieder hergestelltes Reiterstandbild das ganze aufgeputzte Spektakel nach dem Muster des Schlachtfeldes von Jena/Auerstedt in historischer Kulisse und Kostümen zu wiederholen – mit einigen Komparsen, wenn wir bis dahin noch nicht genug blaues Blut in Weimar haben. Ein grotesker Gedanke, der nur das ins Absurde übertreibt, was einige Weimarer wollen.
Auf einer Podiumsveranstaltung des Freundeskreises des Goethe-Nationalmuseum waren sich alle darüber einig, dass der Sockel des ehemaligen Carl-Alexander-Denkmals auf dem Goetheplatz bleiben sollte, denn er ist eine interessante Projektionsfläche der Weimarer Geschichte, außerdem ist er schön und vielleicht nützlich. Da ist es unerheblich, ob er der strengen Denkmaldefinition standhält oder nicht.
Es ist ein großes Verdienst des Freundeskreises, diesen gestürzten, vergrabenen, vergessenen und schon fast verlorenen Sockel nach Weimar zurück geholt zu haben. Doch was wird mit ihm auf dem Goetheplatz? Die Bestrebungen, ein Nachbild des Reiters wieder dort hinauf zu stellen, sind nicht nur mancher Rede abzuhören. sie waren auch schon an dem reichlich verkitschte Zwischenspiel – dem Weihe-Ritual in Eisenach zu erkennen – und auch das zur Zeit zu besichtigende Flachrelief suggeriert: Der Reiter muss her.
Ich bin für den Sockel und gegen den Reiter, denn weder Carl Alexander wird mit dem Duplikat wirklich geehrt, noch wird durch das Standbild ein Impuls für Weimar ausgehen. Im Gegenteil, das Negativimage des verstaubten Weimars würde verfestigt – auch durch die Formansprache der Skulptur von Brütt. Manche finden das Standbild eines Reiters mit Pickelhaube und Halbschuhen aber auch witzig oder fühlen sich an Don Quichote erinnert, wie er gegen die Windbeutel des „Russischen Hofes“ ankämpft. Nur die Lanze fehlt der traurigen Gestalt.
Mit dem Postament könnte man ganz anders umgehen. Ich stelle ihn mir als sensiblen Ort geistig-künstlerischer Auseinandersetzung um Weimars Vergangenheit und Gegenwart vor. Gerade das Fragmentarische des geschundenen Sockels ist dafür geeignet, wechselnde künstlerische Angebote zu beherbergen, die dem vitalsten Platz der Stadt zu einer kreativen kulturellen Atmosphäre verhelfen. Statt muffigem Konservatismus braucht Weimar lebendigen Geist, also: Esprit. Den Stadträten will ich deshalb empfehlen, dem Verbleib des Sockels zuzustimmen, doch das Ja zum Sockel ausdrücklich vom Reiterstandbildes zu entkoppeln. Der Sockel könnte eine wunderbare Diskussion um die Kunst im öffentlichen Raum des Goetheplatzes initiieren.
Prof. Dr. Olaf Weber
20.11.2003 in TLZ