Schmiergeldaffaire (2000)

Schmiergeldaffaire

Wer hat eigentlich durch die Parteispendenaffaire der CDU an Ansehen verloren? Kohl, die CDU, alle Parteien, die Demokratie? Wir sollten dabei deutlicher differenzieren. Zunächst ist es ein gutes Zeugnis und ein Gewinn für die Demokratie, dass diese ungeheuren Verstöße von Gesetzgebern gegenüber ihren eigenen Gesetzen aufgedeckt worden sind und nun hoffentlich für die Zukunft vorgebeugt wird. Zweitens ist es notwendig, ganz klar zu sagen, dass nicht alle Parteien gleichmäßig Schmiergelder angenommen haben. Die parlamentarische Demokratie und die Parteien insgesamt stehen also nicht zur Disposition.

In Frage gestellt werden muß die Beziehung der Parteien zu den nicht demokratisch legitimierten Mächten, vor allem zur Wirtschaft. Alle regen sich über die Machenschaften der CDU-Spitzen auf, aber irgendwer hat ihnen doch die Gelder in Köfferchen zugesteckt und die Geldgeber wußten von der Illegalität der Transaktion. Wieso bezahlt die Wirtschaft überhaupt die Politik? Das ist mit meinem Demokratieverständnis nicht in Einklang zu bringen. Diejenigen Parteien, die besonders eng mit der Wirtschaft verflochten sind, haben viel Geld, aber ihnen ist eben deshalb mit Mißtrauen zu begegnen. Ihre Abgeordneten sind nicht mehr reine Volksvertreter, sondern Interessenvertreter von Firmen. So deformiert der Filz von Politik und Wirtschaft die Demokratie.

Aus den ungeheuren Verfehlungen von Kohl und anderen eine Diffamierung der Parteien überhaupt abzuleiten, hat den Effekt, Mißtrauen in die öffentlichen Hand (den Staat) zu schüren und dafür auf den freien Markt zu setzen. Doch dort agieren genau die Kräfte, die unsere Politiker korrumpieren. Das macht keinen Sinn. Wir sollten statt dessen fordern, dass sich die Wirtschaft aus der Politik heraus hält. Nicht die Abschaffung von Demokratie macht Sinn, sondern ihre wirkliche Entwicklung, wofür eine strikte Trennung von Wirtschaft und Politik und die Zurückdrängung von wirtschaftlicher Macht zugunsten des Primates der Politik notwendig wäre.

Prof. Dr. Olaf Weber
21.01.2000
(unverröffentlicht)

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