Chaos vor dem Kulturstadtjahr – Hurra (1997)

Chaos vor dem Kulturstadtjahr

Überall Baustellen, Umleitungen, Verstopfungen. Nach einem Verkehrslenkungskonzept wird gerufen. Richtig. Aber kann man nicht auch mal etwas anderes tun? Könnten wir nicht auch das bestehende Chaos als Chance begreifen, etwas Neues auszuprobieren?

Ich meine damit, daß viele unserer Zeitgenossen aus reiner Gewohnheit und quasi bewußtlos ins Auto steigen. Es kann nur darum gehen, das Auto bewußter und damit sparsamer zu nutzen. Wenn man das Auto mal stehen läßt, kann man vielleicht entdecken, daß es mit dem Bus, dem Fahrrad oder zu Fuß genau so schnell geht, vielleicht aber sogar interessanter, amüsanter oder entspannender sein kann – obwohl unsere Busfahrpläne und Fahrradwege keineswegs optimal sind. Manch einer merkt dabei vielleicht sogar, daß es ohne Auto billiger und besser laufen kann.

Natürlich gibt es genügend Leute, die auf ihr Auto nicht verzichten können, weil sie es für ihre Arbeit oder für eine andere Tätigkeit unbedingt brauchen. Diejenigen sind nicht gemeint. Aber ich kenne einige, die davon besessen sind, schnell irgendwo hinzukommen, um hektisch wieder zu verschwinden. Unterwegs (im Stau) herrscht der Frust, am Ziel angekommen die Langeweile.
Ich denke, es lohnt sich, den Genuß am Verweilen und die Freude an selbst begrenzter Mobilität wieder zu erlernen. Es geht dabei (um Lustgewinn und damit, die Lebensqualität zu steigern, nicht aber sie zu reduzieren. Viele Radler sind allerdings dem gleichen Tempowahn erlegen wie die Autofahrer. In den Fußgängerzonen verhalten sie sich wie die Raser auf den Autobahnen – nur ohne Auspuff. Ein Radler ist eben erst mit eingeschalteter Denke ein richtiger Radfahrer.

Versuchen wir doch mal, das Verkehrschaos positiv umzudeuten – indem wir eine andere Mobilität ausprobieren!

Prof. Dr. Olaf Weber
in Thüringer Landeszeitung 3.7.97

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