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Feindbilder begraben

von Olaf Weber, Weimar

Heute ist eine besondere, die letzte Zeit. Die Atom- und automatischen Waffen, die scharfen Viren, die toxischen Kettenreaktionen der Geheimdienste warten nur manchmal. Sie erlauben uns nicht, das Maß der vergifteten Natur an die Zukunft zurückzugeben. Der Mensch muss besonders werden, freundlich.

Die Zerstörungskräfte un-intelligenter Systeme stehen an der Schwelle eines nun wirklich „totalen“ Krieges. Sie  sind  nur noch dem Zufall unterstellt, der sich grinsend und unbekümmert gibt.

Seit morgen sind wir zur Kooperation verpflichtet. Freies Denken steht nun gegen die Ideologien der Nationalflaggen, der Religions- und der Hautfarben, an denen sich die Menschheit nicht mehr erheitern sollte. Es ist verboten, die natürlichen Unterschiede im Menschsein zu öffentlichem Hass, zu Aufrüstung und Krieg aufzutürmen. Doch die ökonomischen und politischen Eliten haben sich in ihrer Unwirklichkeit eingebunkert, dort pflegen sie ihre Feindschaften.

Pazifisten (Kriegsgegner) kritisieren die Militaristen im eigenen Land. Deshalb schauen meine Freunde und ich auf Deutschland und die NATO. Dagegen verhalten sich Bellizisten (Kriegsbefürworter) genau umgekehrt. Sie suchen den Schuldigen nie im eigenem, sondern stets im anderen Lager. Immerfort neue Feindbilder erfindend – so befördern sie die Eskalationsspiralen, die kleinen Krisen, die großen Kriege.

Wir brauchen weder strategische Feinde noch unverbrüchliche Freunde, gute Nachbarn, das reicht. Im Vergleich zwischen den USA und Russland ist es nicht plausibel, weshalb das eine Land unser Freund, das andere unser Feind sein solle: Die autoritären Gesichter, der Rassismus, Superreiche da, Oligarchen dort, Kaltes und Zerstörendes allerorts (natürlich überall auch Ermutigendes). Welche Gesichter und welche Formen der Mangel an Menschlichkeit aber hat, ist angesichts der Gefahr (4 vor 12) nicht erheblich. Erheblich wäre das Gewaltlose. Und das Feindlose.

Es ist gut: Deutschland und Europa haben nach schrecklichen Verirrungen einiges an Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit gewonnen. Doch der kriegerische und würdelose Zustand der Welt hat viel mit westlicher Arroganz zu tun, die immer noch koloniale Züge trägt und von oben herabschaut. So erlauben sich unsere geschäftstüchtigen Regierungen „Die Menschenrechte“ wie eine Monstranz voranzutragen, sobald es darum geht, einem geostrategischen Konkurrenten zu schaden. Schade um diese Menschenrechte.

Niemand spreche also von Menschenrechten und Frieden, wenn er oder sie zugleich Feindbilder pflegt, wenn er oder sie militärische Aufrüstung betreibt oder gar reale Kriege führt. Immer ist die Lüge sehr nahe am Krieg. Und dass man den Geheimdiensten gar nichts glauben darf, kann man nur ahnen. Und was die Demokratie betrifft – sie müsste von wirtschaftlicher Macht entkoppelt werden, um Demokratie zu werden.

Nach der Logik und dem geltenden Völkerrecht darf sich keine Regierung in ein Land einmischen, von deren Bevölkerung sie nicht gewählt wurde. Die Versuche, woanders einen „Regime Change“ herbeizuführen, bringt meist neue Gewalt und  schwächt die Selbstheilungskräfte eines Volkes (wie in Syrien, Libyen und woanders geschehen). Es wäre effektiver, friedlicher und historisch gerechter, wenn alle Regierungen auf die eigenen Defizite schauen, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen. Die Transformation der menschlichen Beziehungen zur sozialen Freundlichkeit wird wohl nur in einer behutsamen und gerechten Weltinnenpolitik gelingen.

Die Bellizisten spielen mit zweierlei Maß, das eine wird an den Freund, das andere an den Feind angelegt. So erscheint der Freund freundlich, der Feind feindlich. In dieser Pose lassen sich zum Beispiel die USA gern gegenüber China ablichten – ein ermüdendes und falsches Bild, das es möglicherweise auch umgekehrt gibt.

Das wichtigste Menschenrecht ist das Recht, nicht getötet zu werden. Das Leben eines russischen Oppositionellen ist aber der Hungerstreik einer kurdischen Journalistin in einem türkischen Gefängnis. Und das Leben eines Bootsflüchtlings ist das eines Afroamerikaners auf einer Straße von Harlem. Es passiert so viel, doch wer schuldig ist und bestraft wird, bestimmen auf merkwürdige Weise die an Einfluss Reichen.

Der Krieg hinterlässt seine Folgen im Namen des Siegers. Die schlimmsten völkerrechtswidrigen, also Angriffskriege (wurden neben vielen groben Einmischungen in innere Angelegenheiten) nicht von Diktaturen, sondern leider von Demokratien, den USA und ihren Verbündeten, geführt – vgl. Afghanistan, Irak und Libyen, die Millionen Opfer zu beklagen haben. Es sollte keine Kriege und keine Trophäen mehr geben – auch deshalb nicht,  damit die Geschichte nicht mehr von den Siegern geschrieben werden kann.

Militaristen haben eine unendliche Phantasie, sie erfinden immer neue Feindbilder. Der deutsch/amerikanische Wissenschaftler Wernher von Braun kam zu einer späten, aber tiefen Einsicht: „Wir werden ein im Weltraum basiertes Waffensystem erschaffen. Zuerst werden die Russen als der Feind betrachtet werden… Dann werden Terroristen zum Feind bestimmt… Dann wird man Verrückte aus der Dritten Welt und bestimmte gefährliche Nationen zum Feind bestimmen… Der nächste Feind werden Asteroiden sein, und gegen Asteroiden werden wir erneut im Weltraum basierte Waffen bauen… Die letzte Karte, die ausgespielt werden soll, werden Aliens oder Außerirdische sein. Wir werden diese Waffensysteme gegen Aliens erschaffen und alles davon wird eine große Lüge sein!“ (im Gespräch mit Dr. Carol Rosin, 1974)

Fazit:

  1. Feindbilder und Kriegsbeile könnten schon morgen in aller Frühe begraben werden, doch unter dem Strand ist die Lüge – und das Eis.
  2. Den kalten Krieg beendet man nicht, indem man unliebsame Diktatoren stürzt, sondern indem man ihn beendet.