Bürokratie weg – Ateliers her (1989)

Der erste Ruf nach Ateliers im Herbst 1989. Die Hoffnung allerdings, es gäbe künftig weniger Bürokratie, hat sich leider nicht bewahrheitet – im Gegenteil.

Olaf Weber
Bürokratie weg – Ateliers her

1. Neulich war ich in Heiligendamm (DDR) und konnte an der Fachschule für
Gestaltung die Arbeitsbedingungen der dortigen Studenten kennenlernen. Jeder Student vom ersten bis zum letzten Semester hat dort einen eigenen Arbeitsplatz, den er jederzeit (m. E. aber mindestens bis abends 23 Uhr) nutzen kann. Ich habe gesehen, wie sich die Studenten ihre individuelle, schöpferische Arbeitsatmosphäre an Zeichentischen schaffen, die sie nicht mit anderen teilen müssen. Das Individuelle ist dabei zugleich die Voraussetzung für ein intensives Miteinander. In Heiligendamm ist Internat und Entwurfsatelier gleich nebenan – so günstig ist es in Weimar nicht, doch so schlimm wie heute waren die Studienbedingungen unter den Architekten an der HAB noch nie. Im Einführungskurs des ersten Studienjahres war nicht mal für jede Seminargruppe durchgängig ein Raum vorhanden.

2. Vor einigen Jahrzehnten hatten die Studenten mehr Platz, es gab aber auch noch keine Direktorate, Prorektorate, Sekretariate und andere aufgeblähte Sesselfurzerate. Auf der Ebene der Sektionen beispielsweise (damals Dekanate) waren zwei Personen tätig, wo heute acht Arbeitskräfte gebraucht werden. Immer mehr Verwalter wurden eingestellt oder zu solchen gemacht, um uns zu verwalten. Die Bürokratie hat neben dem Makel, daß sie viel Geld verbraucht, zwei Nachteile: Sie bevormundet diejenigen, für die sie ein reibungsloses Funktionieren (das nie gelingt) garantieren will, und sie verbraucht wertvollen Raum. Ein freieres Studium macht also auch Räume frei. Indem Kennziffern, Wettbewerbe, Berichte und Reglementierungen wegfallen, können Studienräume den Studenten zurückgegeben werden.

3. Alle Räume des Hauptgebäudes mit Atelierfenstern sollen wieder fürs Studium
und für Entwurfstätigkeit zur Verfügung stehen. Hochschullehrer und Studenten sollen gemeinsam entwerfen. Kollektive Diplomarbeiten brauchen Reserveräume. Schafft Freiräume und freie Räume!

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